Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Das Kartennetz. 
71. Die Forderungen der Wirtschufts- und politischen Geographie an die Karten 
netze. Neuere kartographische Reflexionen müssen alle möglichen Werte der ein 
zelnen Projektionen ausproben und sie in Hinsicht auf einen bestimmten Zweck 
kompensieren und balancieren. Insbesondere muß hierbei den Forderungen der 
politischen Geographie und der Wirtschaftsgeographie nachgekommen 
werden. Verkehrt und widersinnig ist es, gerade bei politischen Übersichtskarten 
die Mercatorprojektion, wie noch meist üblich, zu verwenden. Die falschen Bilder, 
die durch solche Karten, verstärkt durch deren Flächenkolorit, erweckt werden, be 
kommt man jahrelang aus seinem Vorstellungskreis nicht heraus. Da die Kolonien 
der europäischen Staaten zumeist in den Tropen liegen, kommt die gewaltige Aus 
dehnung der Tropenkolonien gegenüber den europäischen Mutterländern nie richtig 
zum Ausdruck. 1 Die politische Geographie, die vor dem Weltkrieg zu verkümmern 
schien, regt wieder mächtig ihre Schwingen und versäumt hoffentlich nicht, ihren 
Forderungen nach flächentreuen Kartenbildern entsprechenden Nachdruck zu verleihen. 
Von gleicher Wichtigkeit, wenn nicht noch wichtiger, sind die flächentreuen 
Bilder für den Wirtschaftsgeographen. Wohl sind für seine Zwecke die Erdbilder 
von Moll weide, Aitow (ist nicht flächentreu!) und Hammer zu gebrauchen. Sie 
haben viele Vorzüge und sie werden ihre große Bedeutung stets behalten und für diese 
und jene Darstellung unentbehrlich bleiben, indessen stören den Wirtschaftsgeographen 
ganz erheblich die Verzerrungen und Zusammenquetschungen am Bande der ge 
nannten Erdkarten. Der Wirtschaftsgeograph und gewiß jeder, der einmal mit diesen 
Karten als Umrißkarten zu tun gehabt hat, wird die Erfahrung gemacht haben, daß 
sich Bandgebiete, besonders im N0 und NW, im SO und SW, der Eintragung geo 
graphischer Erscheinungen, und erst recht der Einschreibung von Namen gegenüber 
sehr widerspenstig verhalten. Die Entwürfe von Mollweide und Hammer sind 
flächentreu, beide weisen an dem Bande erhebliche Verzerrungen auf, die aber bei 
Mollweide bald weniger störend als bei Hammer empfunden werden. Dazu hat 
Moll weide die zu Geraden ausgestreckten Parallelkreise, Hammer hingegen ge 
krümmte und nicht parallel verlaufende Breitenkreise, auch die Größe der mittlern 
Maximalwinkelverzerrung 2co d beträgt bei Mollweide nur 32° 7', bei Hammer da 
gegen 37° 34'. Wenn auch, wie früher bereits dargelegt wurde, die gestreckten 
Parallelen unbedingt den Vorzug gegenüber den gekrümmten haben, sind doch diese 
bei gewissen wirtschaftsgeographischen Erscheinungen kaum zu entbehren, z. B. 
wenn es sich um die Verbreitung der polaren Nutztiere handelt. Hier würde man aber 
weniger eine strahlige oder Polarprojektion wählen als vielmehr einen Entwurf, der 
außer der zirkumpolaren Gegend noch den größten Teil der Erdoberfläche veranschau 
licht. Die fast kaum angewandte Horizontalprojektion von H. James (S. 168) würde 
hier gute Dienste tun. Zur Veranschaulichung von wirtschaftsgeographischen und 
andern geographischen Erscheinungen bedient man sich mit Vorliebe auch der Plani- 
globen. Insbesondere wird dazu Lamberts flächentreue Azimutalprojektion neuer 
dings gern in Atlanten sowohl wie in Spezialdarstellungen benutzt. 1 2 Die Plani- 
1 Von diesen Erwägungen ließ ich mich leiten, als ich 1912 meinem Wirtschaftsatlas der 
Deutschen Kolonien zur Übersicht der politischen Aufteilung der Erde eine flächentreueWeltkarte beigab. 
2 Man denke z. B. an Stielers Handatlas, an Bergbaus’ Physikalischen Atlas oder an die 
Monatskarten des Regenfalls von A. J. Herbertson (The distribution of rainfall over the land. 
Royal Geographical Society, Extra Publications. X, London 1901) oder an die neuen Planigloben- 
wandkarten von H. Haack usw.
	        
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