Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

Die Grundlagen der topographischen Abbildungen. 
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Indessen ist das eine Größe, noch nicht einmal ein Zehntelmillimeter, die bei der Karten 
herstellung und -reproduktion in keiner Weise von Belang ist. Immerhin darf diese Art 
Karten nicht in allzuweite Gegenden nach 0 und W ausgedehnt werden, weshalb sich 
die sphärisch rechtwinkligen Koordinaten auch mehr zur Abbildung von meridional 
gestreckten Ländern eignen. Zum ersten Male wurden die sphärischen Trapeze in 
Quadratform auf der Kartenebene von César François Cassini de Thury (1714 
bis 1784) auf der Carte de France 1 : 86400 (100 Toisen = 1 Pariser Linie) angewendet, 
weshalb man auch von Cassinis Projektion oder von Cassinis transversaler 
Plattkarte 1 spricht. Ein anderes Kartenwerk, das außer den württembergischen 
Flurkarten in Cassini scher Projektion vorliegt, ist der alte Topographische Atlas 
von Württemberg 1 :50000. Jedes quadratische Blatt des Atlas umfaßt 400 
württembergische Flurkarten oder rund 520 qkm. 
Das gleiche sphärisch rechtwinklige Koordinatensystem wie den württem 
bergischen Flurkarten liegt den bayrischen Steuerkarten 1: 5000 zugrunde. * 2 
Die Benennung der einzelnen Karten folgt ganz demselben Schema vie die der 
württembergischen Flurkarten. Die Großkreisseiten der bayrischen trapezförmigen 
Stücke sind 800 bayrische Ruten lang = 2884,87 m. 3 Die sphärischen Koordinaten 
der Trapeze sind genau nach Soldner berechnet und die Übertragung auf die Karten 
ebene erfolgt auch nach den berechneten Eckenwerten; das Auszeichnen geschieht 
in ebenen Koordinaten. Der Effekt der Trapezzeichnung läuft in der Praxis auf ein 
Quadrat hinaus. Die Abplattung der Erde ist gleichfalls nicht berücksichtigt. Immer 
hin liegt ein Unterschied vor in der Konstrukt ion der Karte gegenüber der Cassini- 
sehen Projektion und man kann eventuell von einer „Soldnerschen Projektion“ 
sprechen, unter Umständen auch von einer ,,Cassini-Soldnerschen Projektion“, wie es 
E. Hammer 4 , M. Rosenmund 5 u. a. getan haben. J. G. v. Soldner hat das große 
Verdienst, als er 1808—1821 als wissenschaftlicher Beirat bei der bayrischen Landes 
vermessung tätig war, das nach ihm benannte Koordinatensystem zur Einführung 
gebracht zu haben 6 , das später in Deutschland das weitaus verbreitetste wurde. 
J. Frischauf wendet sich gegen die Bezeichnung ,, Soldnersche kongruente Pro 
jektion“, da Soldner zu seinen Berechnungen nie ebene Koordinaten benutzte. 7 
Indessen, wenn Frischauf die Bezeichnung Cassiniprojektion gelten läßt, kann man 
mit fast gleicher Berechtigung von Soldnerprojektion sprechen. Jeder Sachversändige 
• 1 J. Frischauf: Zum kartographischen Bilde des Groß- u. Parallelkreises. Z. f. Verm. 1914, S. 7. 
2 Vgl. die bayerische Landesvermessung in ihrer Wissenschaft]. Grundlage. Hg. v. d. K. Steuer- 
Katasterkommission in Gemeinschaft m. d. topogr. Bureau des k. Generalstabes. München 1873. 
3 Für praktische Zwecke werden die Trapeze Quadrate mit genügender Genauigkeit mit der 
Seitenlange = 466,97 mm. 
4 E. Hammer: Darstellg. einer Erdkugel in Cassini-Soldners Projektion. Kettlers Z. f. 
wiss. Geogr. VI. Weimar 1888, S. 47ff. — Vielfach’ so genannt auch in seinem' Buche „Über d. 
geogr. wichtigsten Proj.“ Stuttgart 1889. 
5 M. Rosenmund, a. a. O., S. 16. 
6 W. Jordan u. K. Steppes: Das deutsche Vermessungswesen. I. Stuttgart 1882, S. 203. 
— Vgl. auch die Biographie Soldners von J. F. Müller: Johann Georg Soldner, der Geodät. 
Diss. München 1914. 
7 J. Frischauf: Die mathem. Grundlagen der Landesaufnahme u. Kartographie des Erd- 
sphäroids. Stuttgart 1913, S. 151. — Auch P. Gart wendet sich gegen die falsche Deutung des 
Wortes „Kongruenz“, besonders in der ausführlichen Besprechung von A. Abendroths „Praxis 
des Vermessungsingenieurs“ (Berlin 1912) i. Z. f. Verm. 1913, S. 287, 288.
	        
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