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Das Kartennetz.
Die Karte des Deutschen Reichs in 1 : 100000 oder die „Generalstabskarte“
ist gleichfalls eine Gradabteilungskarte. Jedes Blatt umfaßt in der geographischen
Breite 15' und in der Länge 30'. Folglich zerfällt eine Gradabteilung in acht Blätter
1:100000, oder in jedem der acht Blätter stecken 7 1 / 2 Meßtischblätter. Das Ver
fahren der Herstellung ist das gleiche wie bei den Meßtischblättern. Flächeninhaltlich
machen sich die Unterschiede zwischen Nord- und Südblätter bedeutend bemerk-
licher als auf den Meßtischblättern. Das Areal der nördlichsten Blätter beträgt je
870,884 qkm und das der südlichsten 1048,177 qkm. 1 Bei der Topographischen
Übersichtskarte des Deutschen Reichs 1 :200000 finden wir wiederum die Grad-
abteilung. Die Fläche eines Blattes erstreckt sich über 1° Länge und V 2 ° Breite,
umrahmt somit vier Blätter der Karte 1 : 100000 oder 30 Meßtischblätter. Bei der
letzten offiziellen Gradabteilungskarte der „Übersichtskarte von Mitteleuropa“
1:300000 umfaßt jedes Blatt 1° in der Breite und 2° in der Länge, also zwei
Gradabteilungen. Die große neue Karte 1 : 50000, die für ganz Deutschland ge
plant ist 1 2 , wird sich in der Gradabteilung den vorhergehenden entsprechend an
schließen.
Die Karten in 1 : 25000 sind in Preußen und den andern Bundes- oder Glied
staaten mit Ausnahme des rechtsrheinischen Bayern (s. S. 188) Gradabteilungskarten.
Jedes Blatt ist in den vier Ecken des Blattrapezes genau richtig. Um die Blätter,
die zu einem abzubildenden Landgebiet gehören, genau aneinander zu passen, bedarf
man der Oberfläche eines Polyeders, hergeleitet von einer Kugel, deren Radius 25 000 mal
kleiner als der der Erdkugel ist. Man spricht darum von Polyederprojektion
oder, weil in Preußen die diesbezüglichen Vermessungsergebnisse zum ersten Male
streng ausgebildet und verwertet wurden, von der preußischen Polyederprojek
tion. 3 J. Aug. Kaupert (1822—1899) hatte die von v. Müffling herausgegebene
Instruction für die topographischen Arbeiten des königlich preußischen General
stabes (Berlin 1821) nach der Seite der polyedrischen Projektion vertieft und er
weitert (Berlin 1884): „Das Prinzip der preußischen Projektion besteht darin, daß
jede Kartensektion für die Konstruktion in den angezogenen Maßstäben ein selb
ständiges Ganzes (Einheit) bildet, also für sich (und nicht die Landeskarte in ihrer
Ausdehnung) auf der Ebene abgebildet wird. Die Kartenblätter bilden daher in
ihrer Zusammenfügung ein Polyeder auf einem Sphäroide, welches der Verjüngung
des betreffenden Maßstabes entspricht. Die Abbildung des Teiles eines Sphäroids
auf einer Ebene kann theoretisch nur nach den Bedingungen der Ähnlichkeit in den
kleinsten Teilen zwischen Original und Bild geschehen.“ 4 Nach diesen klaren Worten
Kauperts über die Polyederprojektion darf es darum auch nicht weiter geschehen
(um in das Wesen dieses Entwurfs einzuführen), zu sagen, daß sie im Zerschneiden
einer großem, etwa nicht auf ein Blatt zu bringenden Karte, in einzelne Blätter besteht,
die von Meridianen und Parallelen begrenzt sind. Kaupert hat durchaus das Wesen
der Polyederprojektion im engern Sinne (S. 203) festgelegt. Daß aber die Bezeichnung
1 Üb. d. Karte des Deutschen Reiches 1 : 100000 vgl. v. Zglinicki i. d. Z. d. Ges. f. Erdkde.
zu Berlin 1910, S. 551—607; wie auch den sich anschließenden Vortrag von A Penck: Zur Voll
endung der Karte des Deutschen Reiches 1: 100000, S. 607 —621.
2 Karten u. wiss. Veröffentlichgn. der Landesaufnahme. Berlin 1920, S. 77.
3 Über die „preußische Polyederprojektion“ vgl. W. Stavenhagen: Die geschichtl. Ent
wicklung des preußischen Militärkartenwesens. S.-A. aus der G. Z. 1900, S. 21.
4 Mitgeteilt bei J. Frischauf: Die math. Grundlagen, a. a. O., S. 160.