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204 Das Kartennetz.
Eigentlich muß eine Polyederprojektion von dem Großenganzen des abzubildenden
Landes ausgehen und an der Hand der Grade das gesamte Kartenbild des Landes 4
in Trapeze zerschneiden, deren Parallele kreisförmig gekrümmt und deren Meridiane
geradlinig sind. Sobald die Positionen nur einigermaßen richtig gegeben werden
sollen, darf die Krümmung der Parallelen nicht vernachlässigt werden. Das, was
ich hier gegenüber der Polyederprojektion vorgebracht habe, gilt in gleichem Maße
von der Polykonprojektion.
Der oben behandelten Gruppe von zulässigen' Fehlern gesellt sich eine andre
bei, zu der wir durch die Beantwortung folgender Frage gelangen: Bis zu welchem
Grade oder Maße kann das abgebildete Erdoberilächenstück, also der Teil eines
Sphäroids als eben gelten, ganz gleich, welche’Projektion dabei zugrunde liegt ? — Um
gekehrt kann man auch so folgern: Da es nicht möglich ist, das auf dem Tische aus
gebreitete Kartenblatt infolge seiner physischen Körperlichkeit im Sinne der reinen
(abstrakten) Geometrie als Fläche eindeutig zu definieren, sehe ich ein Kartenblatt,
etwa von der Größe des Meßtischblattes, nicht als ebene Kartenfläche, sondern als <
Teil einer Sphäroidfläche an. P. Gast hat, soweit ich die Literatur überschaue, die
Betrachtung hierüber zum erstenmal auf eine praktische Basis gestellt. 1 Wir be
rechnen in scharfsinnigster Weise Verzerrungen, geben bis auf winzigste Dezimal
bruchteile Werte für Winkel, Längen und Kurven und schalten unbewußt das Un
zulängliche unserer mechanischen Hilfsmittel und zeichnerischen Betätigung zur
Darstellung des Berechneten aus. Da drängt sich unwillkürlich die Frage auf: Wie weit
ist die Tischfläche als uneben anzunehmen? Geodäten, Geographen und Karto
graphen werden einen Arbeitstisch, dessen kontinuierliche Unebenheiten rund 1 mm
betragen, nicht als unbrauchbar für die Benutzung von Karten und das Herstellen >
neuer Karten beanstanden. ,,Ob diese Betrachtung für einen bestimmten Maßstab
zulässig ist, hängt allein davon ab, ob die sphäroidische Wölbung der Globusfläche
— etwa als Pfeilhöhe des Kartenmittelpunktes über der Ebene der Blattecken ge
messen — höchstens von derselben Größenordnung ist, wie die noch als unmerklich
geltenden Unebenheiten in der Form der Tischflächen, auf welchen man Karten zu
benutzen pflegt.“ Gast teilt hierauf eine Tabelle mit, die den sphäroidischen Wölbungs
betrag einer Fläche für verschiedene Globusmaßstäbe enthält; so beträgt die Pfeil
höhe der Wölbung beim Maßstab 1 : 25000 = 0,1 mm, in 1 : 100000 = 0,8 mm 1 2 ,
in 1 : 200000 = 0,6 mm, in 1 : 500000 = 1,6 und in 1 : 1000000 = 3,1 mm. Bei
seinen Berechnungen hat Gast die Blattgröße der offiziellen Karten im Auge. Wie
wir wissen, ändert Maßstab für Maßstab das Kartenformat. Um von diesem Ver
änderungsfaktor unabhängig zu sein, habe ich die Pfeilhöhenberechnungen für eine
gleichgroße Fläche durchgeführt, und zwar für eine Fläche 50 x 50 cm und eine
solche 40 X 40 cm. (Tabelle siehe S. 205.)
Der Vergleich der Größen mit den Sehnen 50 und 40 cm oder den Halbsehnen
25 und 20 cm zeigt, daß wir weit schicklichere Verhältnisse bei der Blattgröße
40 X 40 cm erhalten. Damit wird der Hinweis gegeben, bei Gradkarten die Aus- ^
1 P. Gast: Eine Bemerkung üb. d. mathematische Form der Kartenfläche. Z. f. Verm.
XLII. 1913, S. 713-716.
2 Durch meine Berechnungen bin ich zu dem gleichen Resultat gekommen. Der Wert 0,1 für
1 : 100000, den A. Bludau im Leitfaden der Kartenentwurlslehre (I. Leipzig u. Berlin 1912, S. 150) ♦
angibt, ist entschieden zu klein, es sei denn, daß man ein kleineres Format als das eines Kartenblattes
1: 100000 annimmt.