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Das Kartennetz.
fertige Kartenblatt selbst bei 1:1000000 praktisch nicht in Erscheinung treten.
Setzen wir anstatt der Kugeloberfläche die Sphäroidoberfläche ein, wird bei unsern
Breiten das Verhältnis zwischen Sphäroidflächenstück und der ihm entsprechenden
ebenen Karte noch etwas günstiger, wenn auch nur ein klein wenig, als zwischen
Kugelflächenstück und Karte.
Vorstehende Untersuchungen und die Tabelle erlauben weiter den Schluß, daß
die Vernachlässigungswerte in vertikalem Sinne großem Umfang als die horizontalen
einnehmen, rund zehnmal größer als diese sein können. Also im Maßstab 1 : 1000000
darf der vertikale Vernachlässigungswert 5 mm nicht übersteigen, der bei einem
Blattformat von 50 cm Länge und Breite gerade das Grenzmaß für die Vernachlässigung
der Sphäroidizität ist. In Summa müssen wir sagen, daß tatsächlich Blatteinteilungen
(in sog. Polyederprojektion) noch bis zu gewissen Maßstäben möglich sind, die es
erlauben, jedes Blatt hinsichtlich der Deformationsverhältnisse als völlig winkel-,
flächen- und längentreu, d. h. als gmndrißtreu anzusehen, weil die Unterscheidung
des dargestellten, sphäroidischen Erdoberflächenteils gegenüber der ihm entsprechenden
Ebene (der Karte) in praktischer Hinsicht so gut wie gar nicht wahrnehmbar ist. 1
Damit dürfte auch genügend nachgewiesen sein, daß meine Anfechtungen der preußischen
Polyederprojektion gegenüber haltbar sind. Schließlich wird durch vorliegende Unter
suchungen bestätigt, daß sich das Kartenbild dem entsprechenden Erdkugelabschnitt
mehr und mehr anpaßt und ihm wesensgleich zu achten ist, ,,wenn der größte Fehler,
der auf der betreffenden Projektion gemacht wird, nicht größer ist als die Fehler,
die in der Herstellung der Karte, der Veränderlichkeit des Papiers und der Individualität
des Messenden beruhen.“ 2
Außer H. Wiechel ist A. Penck in einem besondern Falle ähnlichen Gedanken
nachgegangen, ohne sie in mathematisch präzise Form gekleidet zu haben. 3 Er
macht darauf aufmerksam, daß ein entsprechendes Verhältnis zwischen Maßstab und
Blattgröße gewählt werden soll, damit die einzelnen Sektionen einer Weltkarte in
1 :1000000 nahezu die Summe von Eigenschaften, also Winkel-, Flächen- und Längen
treue, erhalten, die die Kugeloberfläche besitzt. Eine Kugelhaube von 2° Badius
(Halbsehne) würde ungefähr diesen Forderungen entsprechen. Damit hat Penck
ungefähr das Bichtige getroffen. Nach obiger Tabelle ist das Verhältnis für die Welt
karte am besten, wenn der Kugelhaubenradius 20 cm lang ist, also einen Durchmesser
von 40 cm besitzt, der im Bogenmaß ausgedrückt = 8° 86' 6" (für den Badius 1° 48' 8")
beträgt. Eine Kugelhaube von 2° 14' 57"-Badius, was einer Sehnenlänge von 50 cm
1 Vgl. hierzu J. Frischauf: Die Polyederprojektion. P. M. 1910. II. S. 29, 30; ferner:
P. Werkmeister: Gradabteilungskarte, Polyederprojektion, Gradkartensystem, natürliche Pro
jektion. P. M. 1911. I. S. 309, 310.
2 Wie sich diese Fehler gegenseitig ausgleichen oder zu berücksichtigenden Werten verdichten,
hat F. E. Mouths in seiner Rostocker Dissertation , Linienmessung auf Karten“ (Stuttgart 1912)
1 1
mit Hilfe der Formel arc. — — F • —- nachgewiesen. Hierbei ist die in Frage kommende Strecke
M M
auf dem Globus mit arcus bezeichnet, der Kartenmaßstab mit — und das jeweilige Gesetz der
M
Projektion, nach dem diese Strecke vom Kartenmittelpunkt (Indifferenzpunkt) aufgetragen wird
um Flächen-, Winkel- oder Mittabstandstreue zu berechnen, mit F.
3 A. Penck: Üb. d. Herstellung einer Weltkarte im Maßstab 1 : 1000000. Verb. d. VII. In
tern. Geogr. Kongresses. Berlin 1899. TI. S. 67ff.