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Die Kartenaufnahme.
vertraut machen, um die damit geleistete Arbeit richtig zu beurteilen. Kann er dies,
dann wird er mit ganz anderm Verständnis und Gewinn die Karte betrachten und
studieren. Zuletzt muß sich der Geograph noch daran gewöhnen, viel mehr als bisher
mit großmaßstabigen Karten zu arbeiten.
Von S. Truck ist ein beachtenswerter Versuch gemacht worden 1 , Umfang und
Lehrgrundsätze zu bestimmen, die für eine Einführung des Geographen in die Geodäsie
genügen. Leider scheint es noch gute Weile zu haben, ehe sich seine Vorschläge reali
sieren werden. Mit einigem guten Willen von seiten der Hochschullehrer läßt sich schon
manches erreichen. Aber sie stehen größtenteils selbst noch diesen Bestrebungen fremd
gegenüber. Vor allem darf die Theorie nicht allein genügen. Praktische Übungen und
Exkursionen müssen die theoretischen Vorlesungen aufs wirksamste unterstützen.
85. Die Scheu des Geographen vor großmaßstabigen Karten. Auffällig ist die
Scheu der Geographen vor großmaßstabigen Karten. Ganz selten wird bei der Einzel
skizze über den Maßstab 1:25000, mit dem man sich stillschweigend als größt- und
bestmöglichen Maßstab für detaillierte geographische Untersuchungen einverstanden
erklärt, hinausgegangen. Die neueste und künftige Entwicklung der geographischen
Wissenschaft kann an diesem Maßstab nicht haltmachen. Die feinem Detailunter-
suchungen auf geomorphologischem, anthropogeographischem und wirtschaftsgeo
graphischem Gebiete verlangen nach Karten großen Maßstabs, wo die natürlichen
Verhältnisse durch die gewählte Verjüngung möglichst naturgetreu wiedergegeben
werden, nicht mit Symbolen, die an Übertreibungen auf Kosten des Areals leiden;
man denke an die Straßen, Elüsse, Kanäle und Einzelsignaturen der Karten 1: 25000
und 1: 100000. Ein Weg von 5 m Breite kann in 1:10000 mit 0,5 mm gerade noch
als Doppellinie gezeichnet werden, in 1: 5000 ist er 1 mm breit. Gemarkungsgrenzen
können erst auf großmaßstabigen Karten richtig gewürdigt werden. — Die Generalstabs
karten 1:25000 und 1:100000 werden ihre allgemeine Bedeutung bewahren und als
Studien-, Touristen- wie Heimatkarten pach wie vor geschätzt sein. 1 2
Veränderungen der Erdoberfläche, die erst im Laufe von Dezennien oder Jahr
hunderten infolge des Eingriffs der Menschen und der verschiedenen Verwitterungs
faktoren, insonderheit durch die verschiedenartige Erosion des Wassers (wodurch
zuletzt die Schrumpfung der Isohypsen herbeigeführt wird) und die Deflation (hier
werden z. B. Isohypsenumformungen durch Saüdverwehungen verursacht), entstehen,
lassen sich an der Hand großmaßstabiger topometrischer Karten feststellen. Kultur-
technische Arbeiten und fortwährendes Bearbeiten des Ackerbodens verändern die
Oberflächenformen, die gleichfalls nur bei Höhenkarten in 1: 5000 am besten nachweisbar
sind. Wie glücklich ist man schon, an der Hand älterer halbwegs brauchbarer topo
graphischer Karten im Vergleich mit modernen topographischen Karten Veränderungen
in der Bodengestalt und -bedeckung nachweisen zu können, wie es H. Walser auf
Grund der topographischen Karte von J. C. Gyger aus dem Jahre 1667 getan hat.
Seine Untersuchungen führten zu den wichtigen Ergebnissen, daß durch die Ein-
1 S. Truck: Geodäsie für Geographen. Mitt. d. geogr. Ges. Wien 1907, S. 408—423.
2 Einfach und klar führen in Wesen und Gebrauch der Meßtischblätter die drei Werkehen
von M. Walter ein: Inhalt und Herstellung der topograph. Karte 1: 25000. — Winke zur allgemeinen
Benutzung der topograph. Karte 1:25000. — Die topograph. Karte 1:25000 als Grundlage heimat
kundlicher Studien. — Sämtliche drei erschienen bei J. Perthes in Gotha, 1913ff., als Heft 1, 4 u. 8
der „Geographischen Bausteine“, die H. Haack herausgibt.