Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

280 Die Kartenaufnahme. 
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Neuaufnahme im Harze. 1 Ich selbst stieß auf Unrichtigkeiten bei topographischen 
Aufnahmen in der Kieler Gegend. 1 2 Schlimmer noch sind die topographischen Un 
genauigkeiten des französischen Plan directeurs in 1 : 20000. Bei den Höhenkurven 
sind mir in der Champagne Fehler bis über 50 m im vertikalen Sinne und bis 200 m 
und mehr im horizontalen Sinne begegnet. Die Franzosen haben diese Ungenauig 
keit während ihrer Kampfhandlungen zur Genüge am eigenen Leibe gespürt und 
darum die fraglichen Gebiete während des Krieges topographisch so schnell wie 
möglich vollständig neu aufgenommen und die daselbst nicht übliche 5 m-Höhen- 
kurve als gerissene Linie zwischen den 10 m-Isohypsenabständen interpoliert. 
99. Die absolute Genauigkeit. Situation oder Lageplan werden in den großen 
Maßstäben 1: 1000 bis 1: 5000 bei sonst sorgfältiger Arbeit mit absoluter, dem Maßstab 
entsprechender Genauigkeit aufgenommen. Hingegen bleibt die Genauigkeit der 
Höhenkurven immer mehr oder minder relativ. Wohl könnte man bei geeigneten 
Geländeteilen nach der sog. französischen Manier die Höhenlinien auf Grund eingehenden 
Nivellements in der Natur abstecken und alsdann stückweise aufnehmen, aber die damit 
verbundenen ungeheurn Kosten und der Zeitverlust stehen in keinem Verhältnis zu 
dem Gebrauchswert der Höhenkurven. Wir kennen nur ein Kartenwerk, allerdings 
ein Meisterwerk in seiner Art, dessen Schichtlinien nicht auf dem Wege der für die tech 
nische Topographie üblichen Interpolationsmethode, sondern auf direkte Aufnahmen 
in der Natur beruhen. Das ist der vielfarbige Stadtplan von Zürich in 1: 2500, der 
50 qkm umfaßt. 3 Gewiß ist, daß es einen eigenen Genuß bietet, wie Becker sagt, 
sich in diese eigenartige minutiöse Darstellung des Bodens zu versenken. Die Höhen 
kurven, in 2 m Abständen, erstrecken sich auf die kleinste Bodenform, sei sie von der 
Natur gegeben oder durch Menschenhand künstlich hervorgerufen, wie Gelände 
einschnitte, Ausfüllungen, Sandgruben usw.; überall erkennt man das Bestreben, 
durch „genau richtige“ Höhenkurven die Bodenformen so getreu wie nur möglich 
wiederzugeben, geleitet von der Voraussetzung, daß es unlogisch sei, die Höhenlinien 
nicht annähernd so genau wie den Grundriß der Karte aufzunehmen, oder wie es Becker 
formuliert, daß es keinen Sinn habe, „die Lage eines Punktes nach Zentimeter und 
Dezimeter genau zu bestimmen, der Höhe nach aber nur in Meter.“ 4 Wenn er in weiterer 
Schlußfolge das Endziel der Topographie in der reinen, von allem Persönlichen bzw. 
Willkürlichen befreiten Darstellung der Natur erblickt, hat es damit noch gute Weile. 
Die Grundrißaufnahme erfaßt Linien, die Höhenaufnahme Flächen. Die Fläche 
ist jedoch nur eine begriffliche Fiktion, da tatsächlich Punkte gemessen werden. So 
bleibt die Höhenaufnahme immer ungenau von „höherer“ Ordnung als die Grundriß 
aufnahme. Ich selbst zweifle nicht, daß in Zukunft die topographische Aufnahme so 
minutiös wird, daß die Genauigkeit der Höhenkurvenmessung und -bestimmung der 
jenigen der Grundrißaufnahme wesentlich näher als heute kommt; und trotzdem werden 
1 C. Koppe: Die neuere Landestopographie. Braunschweig 1900, S. 35. 
2 Bei meinen topographischen Übungen in 1: 5000 mit Studenten der Kieler Universität (1903 
bis 1907) fanden wir öfters bei der Reduktion auf 1: 25000 die Unstimmigkeiten der Meßtischblätter. 
3 Der Übersichtsplan der Stadt Zürich erscheint in 2 Ausgaben, in 1: 2500 in 23 Blättern mit 
2 m-Kurven und in 1: 5000 in 9 Blättern mit 4 m-Kurven. 
4 Fr. Becker: Neue Anforderungen an das Landesvermessungswesen und an d. Topogr. u. 
Kartogr. Mitt. der ostschweizerischen geograph.-kommerziellen Ges. in St. Gallen. S.-A. St. Gallen 
1910; auch Schweizerische Geometerztg. 1912, S. 11. 
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