Die Genauigkeit der topographischen Karte.
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die im allgemeinen, wo nicht besonders viele Punkte gemessen werden, erheblich größer
sind als die Teilfehler infolge der Unsicherheit der gemessenen Punkte“ (Egerer).
103. Meßtisch oder Tachymeter? Das topographische Sehen. Durch ihre Unter
suchungen und Erfahrungen im eignen Aufnehmen kommen Hammer und Egerer
zu dem Schluß, daß das „Zeichnen im Anblick nach der Natur“, worauf die Meßtisch
aufnahme so stolz ist, sehr viele eingebildete Vorzüge umschließt 1 , und daß die Tachy-
metrie ebenso naturwahre Kurvendarstellungen wie die Meßtischtopographie liefert,
ja bei großem Maßstäben, von 1:10000 an aufwärts, entschieden vorzuziehen ist.
C. Koppe schwankte seinerzeit bei der Neuaufnahme des Herzogtums Braunschweig
in 1: 10000, ob er der Tachymetrie oder der Meßtischaufnahme den Vorzug geben sollte,
entschied sich schließlich für letztere, da nach ihr der Grundsatz, daß der Topograph
nichts zeichnen soll, was er nicht selbst gesehen und abgeschritten habe, am besten be
folgt werde und vor fehlerhaften Darstellungen schütze, „nicht aber eine große Zahl
noch so genau bestimmter Höhenpunkte, wenn der Charakter der Landschaft in seinen
Hauptformen nicht richtig erkannt und zeichnerisch niedergelegt wurde.“ 1 2 Demgegen
über stimme ich mit Hammer überein, daß sich die Tachymetrie, die Koppe selbst im
Waldgelände anwandte, da ihre Vorzüge hier auffällig sind, noch mehr als bisher ihren
Weg bahnen wird, und daß „selbst geübte Topographen vor dem oft bei ihnen zu finden
den Zutrauen zur Sicherheit ihres Erfassens der Bodenformen durch das Auge, ohne
genügende Zahl von Messungen“ nicht genug gewarnt werden können. 3 Nach meinen
Erfahrungen im Kriegsvermessungswesen muß ich feststellen, daß die Landmesser
und Vermessungstechniker, die während des Krieges zu topographischen Arbeiten
herangezogen wurden, bei der Aufnahme in 1:10000 im Argonnerwald und in der
benachbarten Champagne mit dem Tachymeter schneller als mit dem Meßtisch voran
kamen. 4 Wie ich aber schon hervorgehoben habe, wird das beste kartographische Er
gebnis erzielt, wenn an der Hand der tachymetrisch entstandenen Kartenskizze das
Gelände nochmals morphologisch-kritisch begangen wird.
Von vermessungstechnischem Standpunkt aus muß man dem Tachymeter
den Vorzug geben, von geographischem nur dann, wenn bei der Aufnahme das Ge
lände zugleich gut krokiert wird, damit bei der Kartenkonstruktion im Zimmer sich
die Formen des Geländes klar und leicht aus der Punktzahl herausschälen. Wegen
der guten Schulung des Auges und dem begrifflichen Erfassen der Geländeformen
wird man in geographischen Kreisen stets dazu neigen, den Meßtisch wenigstens als
Krokiertisch nicht aufzugeben (S. 251 ff.). Der Meister topographischen Sehens und
Erkennens, der sächsische Major J. G. Lehmann, war einer der ersten, der sich
dem Meßtisch mit besonderer Liebe zuwandte 5 und auf seine Bemühungen ist es
1 E. Hammer: Zur künftig, topograph. Grundk. v. Deutschland, a. a.O., S. 41. — A. Egerer:
Untersuchungen, a. a. O., S. 50.
2 C. Koppe: Die neuere Landestopographie, a. a. O., S. 15, 37.
3 E. Hammer: Zur künftig, topograph. Grundk. v. Deutschland, a. a. O., S. 39.
4 Ganz entschieden wird der Tachymeter über den Meßtisch triumphieren, wenn er demnächst
so konstruiert erscheint, daß die Meßlatte überflüssig wird und die gemessenen Punkte nach Ent
fernung und Höhe mechanisch auf eine Platte (Zeichenblatt) übertragen werden.
5 J. G. Lehmann: Anleitung zum vorteilhaften und zweckmäßigen Gebrauch des Meßtisches,
aus einer Reihe praktischer Erfahrungen hergeleitet und entworfen. Herausgegeben und mit einigen
erläuternden Anmerkungen versehen von G. Aug. Pi scher. Mit 4 Kupfertafeln. Dresden 1812.
4. Aufl. 1828.