Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Kartenaufnahme. 
mich bei der topometrischen Grandkarte länger verweilt habe als es vielleicht im 
Rahmen meiner Erörterungen angebracht erscheint, verfolge ich damit bestimmte 
Zwecke, einmal die Schwierigkeit einer guten Kartenaufnahme und ihre Bedeutung 
für einen weitern Kartenaufbau nachzuweisen und ein andermal das geographische 
Wissen und Gewissen bei der Beurteilung des Genauigkeitsgrades der Karten zu 
schärfen. Denn nur die vollständige Karte spiegelt die natürliche Gestaltung der 
Erdoberfläche und ihre natürliche Ausstattung wieder, sie allein zeigt, inwieweit 
der Mensch Besitz von ihr ergriffen hat und sie ausnützt, nur sie allein kann zu einem 
wirklichen Gradmesser für die Kultur eines Landes werden. Diesen Gedanken ver 
folgend, gelangt man zum Verständnis des Ausdrucks „Terrain“ oder „Gelände“ als 
eines beliebig begrenzten Teiles der Erdoberfläche mit allen darauf befindlichen un 
beweglichen Gegenständen. Man unterscheidet „Gelände-“ oder „Terrainteile“, 
das sind Teile der natürlichen Gestaltung der Erdoberfläche, wie Berge, Hügel, Rücken, 
Täler, Schluchten, Gewässer, Sümpfe usw., und „Gelände-“ oder „Terraingegen 
stände“, das sind die mit der Erdoberfläche durch Natur oder Kunst verbundenen 
Gegenstände, wie Wälder, Äcker, Wege, Siedlungen, Bauten aller Art usw. In der 
möglichst getreuen (geometrischen) Wiedergabe beider Teile besteht die Zielsetzung 
jeder guten topographischen Aufnahme. Damit geht ein jahrhundertlanges Streben 
der Topographie in Erfüllung. 
106. Ursprüngliche, primitive Auinahmemethoden. Von allem Anfang war die 
Karte dem Bedürfnis entsprungen, sich auf der Erdoberfläche zurechtzufinden. Das 
ist auch heute noch ihre vornehmste Aufgabe. Bevor die Karte entstand, war die 
mündliche Überlieferung die Form, sich auf dem Lande sowohl wie auf dem Meere 
zu orientieren. Für beschränkte Horizonte mochte dies genügen, nicht aber für 
größere Verkehrsgebiete. Nachdem man gelernt hatte, seine Beobachtungen und 
Gedanken schriftlich zu fixieren, entstand die Form der schriftlichen Überlieferung, 
die Reisebeschreibung, die ein Land bis zu einer gewissen Vollkommenheit zu 
charakterisieren geeignet ist. Sie ist heute wie ehedem im Schwünge. Fast gleich 
zeitig stellte sich das Bedürfnis ein, das auf dem Lande, der See und der Küste Ge 
sehene nicht bloß im Worte der Reisebeschreibungen und Seeroutenbücher, der Por- 
tulane, festzuhalten, sondern auch in der Form des Kartenbildes. Wir sehen die 
ersten primitiven Landkarten entstehen, desgleichen die mittelalterlichen Reise- 
und Portulankarten. 
Manche derartige Kartenversuche entstanden an Ort und Stelle, die meisten 
doch wohl daheim auf Grund der gesammelten Beobachtungen und Erkundungen 
bei Bewohnern des Landes. Wie das zur Renaissance- und Folgezeit geübt wurde, 
hören wir von dem Begründer der neuern Astronomie, J. Kepler. Als die ober 
österreichischen Stände wegen einer Neuaufnahme Österreichs sich an Kepler wandten, 
weil die Fehler der ältern Karten von Hirschvogel (1542) und W. Lazius (1561) 
zu offensichtlich waren, gab er ihnen am 20. Mai 1616 die Antwort, daß sich die Ver 
besserung der ältern Karten ohne besondere Bereisungen zu Hause ausführen lasse, 
und daß es genüge, wenn man „nur die botten und bauern oder jedes orts Inwohner 
allhie ausfrage“, denn „also sind die maiste mappen bis dato gemacht worden“. 1 
1 J. Feil: Über das Leben lind Wirken des Geographen Georg Matthäus Vischer. Berichte und 
Mitt. des Altertumsvereins zu Wien. 17. 1857, S. 48, Anm. — Vgl. auch Mitt. d. Geogr. Ges. II. Wien 
1858, S. 29, Anm.
	        
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