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Die Kartenaufnahme.
in Katanga vor etwa einem Dezennium an die Regierung des Kongostaats gerichtet
hat. Der Forscher hatte sich hauptsächlich mit astronomischen Ortsbestimmungen
befaßt und mit deren Hilfe viele Irrtümer in den bisherigen Karten des Kongostaats
berichtigt. 1 Es hatte eben bis dahin die richtige Orientierung der Aufnahmen gefehlt.
109. Das Itinerar oder die Routenaufnahme. Die flüchtige Aufnahme, und bei
den Routenaufnahmen oder Itinerarien handelt es sich meistens um solche,
muß in kurzer Zeit große Strecken durcheilen. Mit Meßband wird da nur selten
gearbeitet, und die Distanzen werden durch Abschreiten, Abreiten und Abfahren
gemessen, gegebenenfalls durch Zeitmaß, Entfernungsmesser, selbst nach dem Augen
maß. Sehen wir uns die Routenaufnahmen genauer an, sind wir erstaunt, wieviel
nach Augenmaß gearbeitet worden ist. Dieses Aufnehmen „à coup d’œil“ oder „à
la vue“ oder „à vue d’œil“ erscheint auf den ersten Augenblick als das leichteste
und bequemste Verfahren, und darum das von Anfängern bevorzugte 1 2 ; und doch
ist es außerordentlich schwierig, das Gelände selbst bei der flüchtigen Aufnahme,
dem Kroki, charakteristisch, deutlich und korrekt aufzufassen; „denn gerade die
roheste Skizze bedarf des gewandtesten und genialsten Zeichners, soll sie natur
wahren Eindruck machen“. 3 Das Krokieren erfordert viele und langfristige Übungen
und trotzdem kann man den gröbsten Täuschungen aüsgesetzt sein. 4 Vor manchen
Ungenauigkeiten steht man wie vor einem Rätsel. 5 6 Nach meinen topographischen
1 Die Lage eines so bekannten Ortes wie Matadi war nach der eingehenden Ermittlung von
Lemaire bisher um 50 km falsch angegeben und die Länge der Eisenbahnstrecke nach Leopoldville um
75 km überschätzt worden. In den südlichen und östlichen Bezirken des Kongostaates war auf den vor
läufigen Karten nicht ein einziger wichtiger Ort genau angegeben. Ein hervorragender Punkt in dem
Grenzgebiet zwischen dem Kongo und Zambesi mußte um einen vollen Längengrad verlegt werden,
und ganz bekannte Wasserfälle, Seen, Stationen lagen um 30—40 km oder noch mehr von der Stelle
entfernt, an der sie auf der Karte erschienen. Sogar eine so bedeutende Linie wie die Westküste des
Tanganyikasees war bisher unrichtig verzeichnet; sie mußte erheblich weiter nach Westen verlegt
werden, und die Mündung des Lukugaflusses verschob sich um nicht weniger als 50 km. Der ganze
Lauf des großen Lualubastromes, eines der mächtigen Arme des obem Kongo, lag um fast 60 km
näher an dem großen See als es die Karte anzeigte. Durch diese Berichtigungen wurden alle bestehenden
Karten von Innerafrika zu Makulatur, wenigstens für den Geographen, dem es nicht auf eine ungefähre,
sondern auf eine genaue Zeichnung der Karte ankommt.
2 Aus dem 18. Jahrh. liegen uns Anleitungen zum Aufnehmen nach dem Augenmaß
vor; so von F. C. Müller: Theoretisch-praktische Abhandlung über d richtige Auf nehmen und Zeichnen
der Situations-Charten nach bloßem Augenmaße. Mit einer Kupfertafel. Münster 1778. — Der „Coup
d’oeil militaire“ von Pirscher ist auf Müller von Einfluß gewesen. — Vgl. auch Anm. 4.
3 E. v. Sydow: Der kartographische Standpunkt Europas am Schluß des Jahres 1859. P. M.
1860, S. 475.
4 Schon im 18. Jahrhundert stolperte man über die „Augenmaß-Aufnahmen“, und zur Be
seitigung ihrer Mängel haben Wiebeking, Schmettau, Hogreve, Hayne u. a. m., auch Franzosen,
gearbeitet. — Es sei hingewiesen auf Hayne: Deutliche und ausführliche Anweisung, wie man das
militärische Aufnehmen nach dem Augenmaße ohne Lehrmeister erlernen könne. Berlin 1782. —
C. F. Wiebeking sagt in „Ueber topogr. Carten“, Mülheim a. Rh. 1792, S. 13: „Die Fertigkeit, topo
graphische Aufnahmen richtig auf das Papier zu bringen, entlehnt ihre Grundsätze von der Mathe
matik, und wird nur durch richtiges Augenmaß und schnelle Beurteilungskraft ausgeübt.“
6 Man vergegenwärtige sich beispielsweise, daß sogar die Moltkesche Karte (H. Kiepert,
Konstantinopel und der Bosporus. Reduktion nach der Aufnahme des Freih. v. Moltke. Berlin 1867,
1: 100000) den großen, 2000 Einwohner zählenden Ort Amautkiöj noch an den Westhang der Alemdagh-
kette und an einem zum Bosporus abfließenden Bach verlegt, während er tatsächlich am Ostabhang
der Kette und in einem nach N zum Rivadere sich öffnenden Tale liegt. — Vgl. auch’ C. Freiherr
v. der Goltz-Pascha: Karte der Umgegend von Konstantinopel. 1: 100000. Berlin, s. a.