Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die Kartenaufnahme. 
machung oft über den innern Wert täuscht und die Wiedergabe von Gebirgen in 
Schummerung, in Schraffen oder gar Isohypsen (vorsichtigerweise werden sie viel 
fach schon „Gefühlsisohypsen“ genannt) den Eindruck erweckt, als ob eine grund 
legende und tüchtige topographische Arbeit geleistet worden wäre. 
Es hat nicht an Forschungsreisenden gefehlt, die auf das Fehlerhafte solcher 
Kartenaufnahmen genugsam hingewiesen haben, wie z. B. F. v. Bichthofen. Er 
wußte nur zu gut, daß sogar öfters begangene Strecken Chinas noch falsch dargestellt 
wurden. Den Karten seines Atlasses lagen zahlreiche eigene Itinerare zugrunde, 
die er durch allerhand anderes Erkundungs- und teilweise nicht kontrollierbares 
Kartenmaterial zu einem allgemeinen Kartenbild verdichtete. So haften dem Karten 
werk noch mancherlei v. Bichthofen wohl bewußte Mängel an, wobei man bedenken 
muß, daß bei einem so gewaltigen Gebiet wie China die Herausgabe eines guten 
Kartenwerkes noch lange Weile haben wird. Trotzdem gibt dieses Zeitmaß keinen 
Anlaß, mangelhafte Karten zu beschönigen, selbst wenn sie von namhaften Autoren 
herstammen. Noch lange nicht ist alles gleich gut und brauchbar, wenn es ein für 
seine Zeit bedeutender Wissenschaftler mit seinem Namen deckt, und die ruhig und 
sicher abwägende Kritik nach dieser Bichtung ist nicht bloß in der Geographie, sondern 
auch in der Kartographie geboten, so ähnlich wie ich sie, um bei der Gegenwart zu 
bleiben, über die Erzeugnisse der deutschen Kolonialkartographie bei Gelegenheit 
der Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1910 zu Berlin geübt habe, 
wodurch der Sache wie dem Autor in gleicher Weise gedient wird, selbst auf die 
Gefahr hin, daß die Kritik zunächst herb und bitter empfunden wird. Ist es nicht 
Unsitte oder Urteilslosigkeit, ältere durch größere Zeitspanne uns entrückte und 
doch für ihre Zeit recht mittelmäßige Werke über das Maß hinaus zu loben, so ähnlich 
wie es mit dem Atlas von China des Jesuiten Martini 1 durch 0. Peschei 1 2 u. a. ge 
schehen ist, und die Geographen nehmen eine schwere Verantwortlichkeit auf sich, 
wenn sie wie Duhalde, d’Anville, Klaproth ohne weiteres annehmen, daß die katho 
lischen Missionare wirklich eine Dreiecksmessung Chinas, zumal der entlegenen nord 
westlichen Teile des Landes, vorgenommen haben; ihre Aufnahmetätigkeit beschränkte 
sich lediglich auf untergeordnete Teilmessungen. Durch v. Bichthofen zur größten 
Gewissenhaftigkeit beim Aufnehmen des Geländes ermahnt, bringt A. Tafel in dem 
Kartenwerk zu seinen Beisen in China und Tibet 3 einzig und allein das zur Darstellung, 
was er selbst gesehen und gemessen hat bei völliger Vernachlässigung vorliegender 
chinesischer Quellen. „Dies Vorgehen bietet den großen Vorteil, klar erkennen zu 
lassen, was der Beisende selbst beobachtet hat, und das von ihm Wahrgenommene 
nicht zu trüben durch Übernahme von Material, welches auf seine Verläßlichkeit nicht 
geprüft worden ist. Auf diese Weise werden die Grundlagen für die kritische Ge 
winnung eines Gesamtbildes von China dargeboten“ 4 , und den Geographen, die ein 
besseres Kartenbildj größerer Teile von China und Ost-Tibet gewinnen wollen, ein 
1 Der „Novus Atlas Sinensis a Martino Martini Soc. Jesu“ erschien als 11. Teil des „Novus 
Atlas absolutissimus“ von Janson, Amsterdam 1655. 
2 O. Pescheis Geschichte der Erdkunde bis auf A. v. Humboldt u. C. Ritter. 2. Aufl. von 
S. Rüge. München 1877, S. 346. 
3 A. Tafel: Reise in China und Tibet 1905—1908. Kartographische Ergebnisse. Teill: China, 
31 Karten in 1:200000, herausgeg. v. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin 1913. 
4 A. Penck: Das Kartenwerk „Dr. A. Tafel, Reisen in China und Tibet“. Z. d. Ges. f. Erdk. 
zu Berlin 1913, S. 82.
	        
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