Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Kartographie als Wissenschaft. 
Ganze des kartographischen Schaffens überblickt, die die Karte nach Wesen, Auf 
gaben und Zweck zergliedert und für das kartographische Schaffen und Betrachten 
bestimmte Normen auf sucht und festsetzt, unterscheidet sich die praktische Karto 
graphie, die mit verschieden abgestuftem Takt nach konventionellen und wie mit Ge 
setzesgewalt auftretenden Regeln manuell das Erzeugnis hervorbringt, das wir Karte 
nennen. Damit ist nicht gesagt, daß sie nicht auch wissenschaftlich sei; im Gegenteil, 
ohne Berücksichtigung und Handhabung wissenschaftlicher Erkenntnisse würde die 
praktische Kartographie nur stümperhafte Werke hervorbringen. Davon ist jeder 
Sachkenner überzeugt, daß eine gute Karte herzustellen schwieriger ist als ein Buch 
zu schreiben, wo man mit Worten manche Klippe leicht vermeiden kann. Dagegen 
darf sich der Kartograph bei seiner Arbeit keine derartigen Freiheiten gestatten; er 
muß sinnen und trachten, in eine festgesetzte Norm und Form neuen Inhalt zu gießen, 
er kann nicht den Flußlauf, die Ortslage usw. ändern wie es ihm am besten im Karten 
bilde passen würde, sondern streng muß er sich an die mathematische, die geometrische 
Grundlage seiner Karte halten. Allgemein sagt man, daß die topographische Karte, 
die Meßtischblätter geschickte technische Leistungen sind, denn bei den großmaß- 
stabigen Karten komme es nur darauf an, nach den gemessenen Winkeln, Linien und 
Punkten alles in bestimmter Verkleinerung wiederzugeben, was eine rein technische 
Fertigkeit sei. Doch ist es nicht allein dies — man würde die Karte in ihrem Wesen 
verkennen —, sondern auch die künstlerische Befähigung und die wissenschaftliche 
Schulung, die sich selbst im großmaßstabigen Kartenbilde dokumentiert, wobei man 
nur an die Konstruktion der Schichtlinien zu denken braucht. Mehr noch bekundet 
sich die wissenschaftliche Erziehung des Kartographen in der chorographischen Karte. 
Eine Karte von Deutschland in 1: 500000, wie die von C. Vogel, ist nicht bloß eine 
hohe technische Leistung, sie ist eine künstlerische und wissenschaftliche Tat. In 
der Seele Vogels mußte das Bild Deutschlands sich erst gestalten, bevor mit dem 
Zeichenstift ihm der gewünschte Ausdruck verliehen wurde. Eine riesige Summe von 
Vorstellungen und Apperzeptionen auf Grund Ungeheuern Tatsachenmaterials mußte 
erst auf genommen und verarbeitet werden. Br. Hassenstein, der auf Grund un 
zähliger Routen- und anderer Aufnahmen uns manche exotische Landschaft im Karten 
hilde nahe gebracht hat, spricht davon, wie es nötig ist, sich in die Seele des Reisenden 
hineinzuversetzen, um gleichsam in dem Fußstapfen seines Denkens zu dem von ihm 
gewollten Ziel zu gelangen. Nicht das Nebeneinanderstellen von Daten, nicht die Reich 
haltigkeit an Materie, sondern die kritische und sinngemäße Durcharbeitung erfordert 
einen wissenschaftlich begabten und geschulten Kopf. Das hat man in der Wissen 
schaft auch anzuerkennen gewußt, wie ich oben bereits angedeutet habe. Die Ver 
leihung eines „Doctor honoris causa“ an bedeutende Kartographen gibt ein beredtes 
Zeugnis von der Wertschätzung auf wissenschaftlicher Seite. 1 Hinwiederum für die 
Achtung der Wissenschaft auf anderer Seite spricht das Heranziehen von akademisch 
Gebildeten in die großen kartographischen Institute. 1 2 
1 Die Würde eines Dr. h. c. wurde verliehen an August Petermann (Göttingen 1855)5 
Hermann Berghaus (Königsberg 1868), Bruno Hassenstein (Göttingen 1887), Carl Vogel 
(¡Marburg 1891), Ludwig Friederichsen (Marburg 1898), ErnstDebes (Gießen 1909), J. Bartho 
lomew in Edinburg (Edinburgh 1909). 
2 Bei J. Perthes in Gotha: Dr. Lüddecke f, Prof. Langhans, Prof. Dr. Haack; bei Wagner 
& Debes in Leipzig: Dr. P. Eifert f, Dr. H.Fischer, Dr. E. Wagner f; bei Velhagen & Klasing 
in Leipzig: Dr. E. Friedrich (früher), Dr. E. Ambrosius; bei Artaria & Co. in Wien: Dr. K.Peucker
	        
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