Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

Das trigonometrische Skelett. 
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H. C. Gyger (f 1674), H. Peyer (f 1620). Schleensteins Karte von Hessen-Cassel 
aus dem Jalire 1708 und Frh. v. Eheinecks Specialcharte des Rheinthaies werden 
„als fast fehlerfrei“ bezüglich der Dreieckaufnahme gerühmt. 1 Eis Ende des 18. Jahr 
hunderts waren die Landesaufnahmen noch nicht vollständig von dem Bewußtsein 
einheitlicher Triangulationen durchdrungen. Rein topographisch war schon mehr 
geleistet worden, wie wir das von den Arbeiten der beiden Grafen von Schmettau 
(Vater und Sohn) kennen, desgleichen von preußischen, sächsischen, hannoverschen 
und russischen Offizieren. Aber im Hinblick auf die Triangulation schreibt 1799 
der königlich preußische Artillerieleutnant v. Textor an v. Zach: „Alles, was in 
Preußen an Karten vorhanden ist, kann man nur als Wische ohne die mindeste 
Richtigkeit betrachten, denn eigentliche Messungen und Beobachtungen sind erst 
seit drei Jahren vorgenommen worden.“ 1 2 Kaum besser ist das Urteil über die öster 
reichischen Karten jener Zeit. 3 Trotzdem gibt es doch einzelne gute Aufnahmen, 
die die Grundlagen genauerer Karten wurden. Eine der bemerkenswertesten ist die 
Basismessung auf dem Eise des Greifswalder Boddens im Jahre 1757 4 5 , die von Andreas 
Mayer, Mathematikprofessor an der Greifswalder Universität, ausgeführt wurde 
und einer Karte Schwedisch-Vorpommerns, des heutigen Neu Vorpommerns, zugrunde 
liegt, etwa in 1 : 210000. 5 W. v. Goethe, der allem Wissenswerten seiner Zeit das 
größte Interesse entgegenbrachte, wußte, daß mit der Magnetnadel lediglich eine 
Kartenskizze anzufertigen war, dagegen die genauere Aufnahme der Triangulation 
bedurfte. 6 
Während des 17. und 18. Jahrhunderts und tief hinein in das folgende Jahr 
hundert wurde die Triangulierung in der Hauptsache von Gelehrten gepflegt. Ihnen 
kam es vor allem auf die Feststellung der Erdgestalt mit Hilfe von Gradmessungen 
an. So ist die Geschichte der Triangulierung zugleich eine Geschichte 
der Gradmessungen. 7 Sie setzten im 17. 'und 18. Jahrhundert ein und haben 
die Triangulation und deren Methode bedeutend gefördert. Picard begann seine 
1 J. Früh: Zur Geschichte der Terraindarstellung. Kettl. Z. f. wiss. Geogr., II. Lahr 1818, 
S. 156, 157. 
2 Königsberg, d. 22. März, und Mohrungen, d. 5. Mai 1799. Vgl. v. Zach: Monatliche Corre- 
spondenz. I. 1800. 
3 G. Bancalari: Studien über d. österr.-ungar. Militär-Kartographie. S.-A. aus dem Organ 
der Militär-wissenschaftl. Vereine. Wien 1894, S. 12. 
4 C. Drolshagen: Eine Basismessung auf dem Eise des Greifswalder Boddens i. J. 1757. Z. f. 
Venn. 1920, S. 695ff. 
5 Der Titel der Karte lautet: Pomeraniae Anterioris Svedicae ac Principatus Kugiae tabula 
nova. Astronomicis observationibus et geometricis dimensionibus superstructa. Illustribus ac splen 
didissimis Status Ordinibus in devotissimi atque gratissimi animi Tesseram dicata ab Andrea Mayer, 
Prof. Mathem. et Phys. Exp. Heg. Scient. Academiar. Holmiens. Berol. atque Instituti Bonon. Socio, 
atque excusa a Tobia Conrado Lotter Geogr. Aug. V. (= Augusta Vindelicorum). 
6 In Goethes „Wahlverwandtschaften'‘ heißt es 1. Teil, 3. Kap.: „Das Erste, was wir tun sollten“, 
sagte der Hauptmann, „wäre, daß ich die Gegend mit der Magnetnadel aufnähme. Es ist das ein leichtes, 
heiteres Geschäft, und wenn es auch nicht die größte Genauigkeit gewährt, so bleibt es doch immer 
nützlich und für den Anfang erfreulich; auch kann man es ohne große Beihilfe leisten und weiß gewiß, 
daß man fertig w r ird.“ — Das 4. Kap. fängt sodann an: „Die topographische Karte, auf welcher das 
Gut mit seinen Umgebungen nach einem ziemlich großen Maßstabe charakteristisch und faßlich durch 
Federstriche und Farben dargestellt war, und welche der Hauptmann durch einige trigonometrische 
Messungen sicher zu gründen wußte, war bald fertig.“ 
7 Vgl. W. Jordan: Handbuch der Vermessungskunde. I. 6. Aufl. I. Stuttgart 1910, S. 468ff. 
Hier wird auch auf wichtigere Literatur hingewiesen.
	        
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