Das Lichtbild bei der terrestrischen Aufenahme.
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größten Teils der Erde ganz ungeahnte Perspektiven eröffnen. Wie der Kartograph
wird sich auch der Geograph mit dieser neuen Methode befassen müssen, und der
Forschungsreisende insbesondere wird je nach mathematischer Veranlagung und er
worbener Fertigkeit im Lichtmeßverfahren auf dieses in seinem Forschungsgebiet
nicht verzichten wollen. Auf jeden Fall muß sich der Geograjüi über den Wert der
neuen Methoden klar sein und wissen, wie weit er sich auf sie verlassen und was er
von ihnen verlangen kann.
Mit der Erfindung der Photographie durch Daguerre war auch der Gedanke
der Benutzung des Lichtbildes zu Meßzwecken bei Terrainaufnahmen laut geworden. 1
Aber erst A. Laussedat kam zu einem brauchbaren Ergebnis, nachdem er die Stand
linie einführte, von deren Endpunkten zwei orientierte Aufnahmen eines Objekts
gemacht wurden. Übrigens finden wir diesen Grundgedanken der terrestrischen
Aufnahme schon bei J. H. Lambert. Laussedat nannte sein Verfahren Metro
photographie 1 2 , wofür auch Photometrographie gesagt wurde. Gebräuchlicher ist
die in Deutschland und Österreich angewandte Bezeichnung Photogrammetrie,
die auf A. Meydenbauer zurückführt. 3
An der Vervollkommnung der Photogrammetrie sind Franzosen (Berget),
Italiener (P. Paganini), Bussen (R. Thiele), Engländer, Amerikaner (E. Deville) 4
und Deutsche beteiligt. Unter den Österreichern seien A. v. Hühl, Th. Scheim-
pflug und E. v. Orel, unter den Deutschen im besondern C. Koppe, S. Finster-
walder, C. Pulfrich und R. Hugershoff genannt. Die Deutschen einschließlich
der Österreicher haben die photogrammetrischen Probleme am meisten gefördert,
und die Ausarbeitung und Vervollkommnung der neuesten Lichtbildmeßverfahren
knüpfen in der Hauptsache an deutsche Forscher und Denker an. 5 Dazu kommt,
daß Deutschland bei seiner innigen Verquickung von Wissenschaft und Technik
auch an der Spitze der optischen Industrie der ganzen Welt marschiert.
125. Das Bildmeßverfahren. Durch das Lichtbild wird zunächst ein fremdes
Element in die Aufnahme hineingetragen. Da das Gelingen des Lichtbildes von
1 Vgl. E. Dolezal: Über die Bedeutung der photographischen Meßkunst. Internationales Archiv
f. Photogrammetrie. Wien und Leipzig 1908, S. 155ff.
2 A. Laussedat: Mémoire sur l’emploi de la photographie dans le levé des plans et spécialement
dans les reconnaissances militaires. Comptes rendus. L. 1860, S. 1127 — 1134.
3 A. Meydenbauer: Über die Anwendung der Photographie zur Architektur- und Terrain
aufnahme (Photometrographie). Z. f. Bauwesen. 1867, S. 62—70. — Meydenbauer und Tschudi:
Zur Photogrammetrie. Deutsche Bauzeitung 1873, S. 265ff. — Mithin wird die Bemerkung in Jordan:
Handbuch der Vermessungsk. II. Stuttgart 1914, S. 843 hinfällig, worin zum Ausdruck kommt, als
ob die Z. f. Verm.-W. 1876, S. 17, dasWort ,(Photogrammetrie“ als sprachl. Verbesserung für Photo
metrographie zum erstenmal gebraucht und so die neue Bezeichnung inauguriert habe.
4 Auf das Werk von E. Deville „Photographie surveying including the éléments of descriptive
geometry and perspective 1895“ (Ottowa 1895), sei besonders hingewiesen, worin höchst elegante Kon
struktionen angegeben werden, um aus den perspektivischen Bildern (Photographien) ebener Figuren
deren Horizontalprojektionen abzuleiten. Th. Scheimpflug hat diese Konstruktionen auch für räum
liche Gebilde angewandt.
5 Über Lit. zur Photogrammetrie usw. vgl. S. Finsterwalder: Photogrammetrie. Enzyklo
pädie der mathem. Wissensch. VI. Leipzig 1906, S. 96 — 116. — C. Pulfrich: Stereoskopisches Sehen
und Messen. Jena 1911, S. 29. — K. Korzer: Die Stereoautogrammetrie im Dienste der Landesauf
nahme. Mitt. d. k. k. mil.-geogr. Inst. XXXIII. Wien 1914, S. 103, Anm. — R. Hugershoff und
H. Cranz: Grundlagen der Photogrammetrie aus Luftfahrzeugen. Stuttgart 1919, S. 125—128.
Letztere ist insofern lückenhaft, als die Schriften von C. Pulfrich nicht mit auf genommen sind.