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Die Kartenaufnahme.
dem Wetter, der Beleuchtung, der Kammerkonstruktion u. a. abhängt, ist es er
klärlich, daß ältere erfahrene Geodäten dem Lichtbild mit Mißtrauen begegneten
und immer wieder die Meßtischarbeit dem photographischen Aufnehmen vorzogen. 1
Doch im Laufe der Zeit verstand man, die Mängel, die dem photographischen Auf
nehmen anhafteten und die zum nicht geringsten in der Kammerkonstruktion be
standen, zu beheben. Nach dieser Richtung hat sich C. Koppe große Verdienste
erworben. 1 2 Zur verbesserten Konstruktion photogrammetrischer Apparate hat er
wertvolle Anregungen gegeben. Seit seinem Wirken reden wir von einer Meßtiscli-
oder Intersektionsphotogrammetrie,die auf dem Prinzip der Meßtischaufnahme
beruht und sich von dieser nur dadurch unterscheidet, daß die Strahlen nicht nach
Punkten der Natur, sondern des Lichtbildes gezogen werden. Um die weitere Ver
vollkommnung dieses Verfahrens hat sich neben andern S. Finsterwal der besonders
bemüht, der auf diesem Gebiete seit 1887 unermüdlich tätig ist. 3 Die praktische
Anwendung des Bildmeßverfahrens im großem Stile geht auf den Italiener Pa-
ganini zurück, der in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine
Zone von rund 1000 qkm in den Grajischen Alpen (Gran Paradiso) auf diese Weise
aufgenommen hat. Beim Anblick der Arbeit Paganinis und deren Studium kam
E. Richter zu dem Schluß, daß durch die photogrammetrische Methode der Hoch-
gebirgskartographie die Möglichkeit eines ganz gewaltigen Fortschrittes gegenüber
den bisherigen Leistungen gegeben sei. 4 Finsterwalder hat gleichfalls mit seiner
Karte des Vernagtferners eine Musterarbeit von bleibendem Werte geschaffen. In
Rußland hat sich R. Thiele für die Einführung des photogrammetrischen Meß
verfahrens und späterhin auch der Stereophotogrammetrie die erdenklichste Mühe
gegeben. 5
Das Bildmeßverfahren besteht darin, daß man aus einer Landschaftsphotographie
Horizontal- und Vertikalwinkel abmißt, wenn man die Entfernung der Bildebene
vom Zentrum des Linsensystems kennt, durch das alle Visierstrahlen hindurchgehen.
Dabei wendet man den aus der Topographie bekannten Vorwärtseinschnitt an,
jedoch mit dem Unterschied, daß man die Richtungen nach den Punkten, die bestimmt
1 Vgl. A. v. Hübl: Die photogrammetrische Aufnahme. Mitt. d. k. k. mil.-geogr. Inst. XIX.
Wien 1900, S. 140. — Desgl. A. v. Hübls Vortrag über „Stereophotogrammetrie“ i. d. Verhandlgn.
der Ges. deutscher Naturforscher u. Ärzte, 85. Versammlung zu Wien 1913.
2 C. Koppe: Die Photogrammetrie oder Bildmeßkunst. Weimar 1899. — Photogrammetrie
und internationale Wolkenmessung. Braunschweig 1896.
3 S. Finsterwalder: Die Terrainaufnahme mittels Photogrammetrie. S.-A. Bayr. Industrie-
u. Gewerbeblatt 1890, Nr. 47. München 1891. — Der Vernagtferner. Seine Geschichte u. Vermessung
i. d. Jahren 1888 u. 1889. Dazu ein Anhang: Blümcke u. Heß: Die Nachmessungen am Vernagt
ferner. Wiss. Erg. Hefte z. Z. d. D. u. Ö. A.-V. T. 1. Heft. Graz 1897. — Die geometrischen Grund
lagen der Photogrammetrie. Jahresber. d. Deutsch. Math. Vereinig. VI. 2. Heft. Leipzig 1899, S. 3
bis 41. — Eine neue Art, die Photogrammetrie bei flüchtigen Aufnahmen zu verwenden. Sitzber. d.
Akad. d. Wiss. zu München XXXIV. 1904, S. 103—114. — Die Photogrammetrie als Hilfsmittel der
Geländeaufnahme. In G. Neumayers Anleitung zu wissenschaftl. Beob. auf Reisen. 3. Aufl. I. Han
nover 1906, S. 165—202. — Alte und neue Hilfsmittel der Landesvermessg. Festrede, München 1917. —
Hierher würden auch gehören die Arbeiten von A. v. Hübl (s. Anm. 1), von Rosenmund: Unter
suchungen über die Anwendung des photogrammetrischen Verfahrens für topographische Aufnahmen.
Bern 1896.
4 E. Richter in P. M. 1891. LB. S. 163.
5 Vgl. R. Thiele: Photogrammetrische Arbeiten in Rußland. Intern. Archiv f.Photogrammetrie.
Wien u. Leipzig . I. 1908, S. 174ff.