Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Der Maßstab. 
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Bei ähnlichen Betrachtungen scheinen H. Wagner Karten entgangen zu sein, 
die sich als winkeltreue, zwischenständige Halbkugelkarten (also in stereographischer 
Horizontalprojektion) repräsentieren und auf das 17. Jahrhundert zurückgehen. 
Da erscheinen sie als Nebenkarten auf großem Karten, die die zwei Erdhälften zu 
meist in winkeltreuer äquatorständiger Projektion zeigen. Als Nebenkarten tragen 
sie keinen besondern Maßstab, wohl aber iin 18. Jahrhundert, als man sie bewußt 
in größerm Maßstabe herstellte, so zuerst von Pater Chrysologue (1774). Die voll 
kommensten Karten dieser Art gaben J. E. Bode (1793) und J. A. Ecker (1794). 1 
Verharren wir bei Bode. Er hat seine Halbkugelbilder mit größter Sorgfalt 
konstruiert. Mit ihrer Bearbeitung begann er 1779; 1788 gab er bereits die dazu 
gehörige 177 Seiten lange Beschreibung und Gebrauch einer auf den Horizont von 
Berlin entworfenen neuen Weltcharte in zween Hemisphären (Berlin und Stettin) 
heraus; die eigentlichen Kartenbilder sind jedoch erst 1793 erschienen. Ob es sich 
dabei um eine Neuauflage handelt, konnte ich bis jetzt nicht mit Sicherheit fest 
stellen. Auf S. 17 der Bodeschen Beschreibung heißt es: „Noch ist einem jeden 
Planisphär ein Maßstab beygefügt, welcher ein in Graden und geographischen Meilen 
abgetheilter Halbmesser desselben ist. Er dient zur Abmessung der Sonnenhöhe und 
der Entfernung der Örter von Berlin, und zur Erfindung der Weltgegenden, nach 
welchen dieselben hinaus liegen.“ Ein dreifacher Zweck des Maßstabes ist zum Aus 
druck gebracht. Der beigegebene Maßstab ist ein Badial- oder Speichenmaßstab.- 
Die zweite Zweckbestimmung, daß durch ihn die Entfernung der Orte von Berlin 
aus festgelegt werden kann, stimmt nicht, höchstens für die Berlin zunächst liegenden 
Ortschaften. Der Radialmaßstab gibt nur dann die wahre Entfernung in zwischen 
ständiger Lage einer Karte an, wenn der betreffende Ausgangsort der Mittelpunkt 
einer mittabstandstreuen Azimutalprojektion ist. Der von Bode angegebene Maß 
stab würde für Berlin passen, wenn diese Stadt bei gleicher Projektionsart im Nord 
pol liegen würde. Aus den Ausführungen Bodes scheint es ganz so, daß er sich, ob 
wohl er ein guter Mathematiker und Astronom der Kgl. Akademie der Wissenschaften 
zu Berlin war, der Winkel- und Flächenverzerrung und der daraus resultierenden 
Maßstabänderung nicht vollkommen bewußt ist. 
Anzuerkennen ist, daß Bode auf die Bedeutung des Maßstabes hinweist, und 
in der zweiten Auflage seiner Anleitung zur allgemeinen Kenntnis der Erdkugel 
(Berlin 1808) sagt er, von allgemeinen Prinzipien ausgehend, S. 313: „Eben der Maß 
stab, nach welchem die Charte verzeichnet ist, nemlich der in Gradtheile und deren 
Werth in Meilen eingetheilte Meridian, dient zugleich zur Ausmessung des Abstandes 
der Örter auf derselben.“ Die genannte Art der Maßstabbezeichnung ist vielfach 
auf den Karten vernachlässigt worden, nachdem für sie Mercator bereits gute Muster 
gegeben hatte. 
Die Worte Bodes „Eben der Maßstab, nach welchem die Charte verzeichnet 
ist“, rütteln wie die Ausführungen von Seb. Schmid an der Annahme von H. Wagner, 
daß der Maßstab der ältern Karten kein von den Kartographen absichtlich eingetragener 
Beleg für das von ihnen gewählte VerjüngungsVerhältnis ist. Jedenfalls erlauben 
sie den Schluß, daß sich mathematisch gebildete Kartographen des Maßstabes und 
des auf ihm begründeten Verjüngungs Verhältnisses wohl bewußt waren und bei der 
Herstellung der Karten beherzigten, daß aber — um auch den Wagnerschen Aus 
1 Vgl. Bd. II über Verkehrskarte, bes. die Isochronenkarten. 
Eckert, Kartenwissenscliat't. I.
	        
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