Der Maßstab.
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Noch sind die Maßstabbegriffe nicht Gemeingut der Kartenbenutzer geworden 1 , sonst
würde H. Haack dem Hauptkatalog von J. Perthes (Gotha 1915) einen Anhang
mit erklärender Karte „Der Kartenmaßstab: Erläuterungen für Laien“, nicht bei
gegeben haben. 1 2
Die modernen Maßstabbezeichnungen lehnen sich zunächst an eine wichtige
meßbare Linie des Kartennetzes an. Für Übersichtskarten der Erde ist der Äquator
die gegebene Linie. Ist die Mercatorprojektion auch die Seekartenprojektion kat
exochen, bedient sich ihrer doch die Landkarte in zahlreichen Fällen, und als Übersichts
karte der Erde behauptet die Mercatorkarte heute trotz vieler berechtigter Gegen
strömungen teilweise noch das Feld. Der jüngere Herrn. Berghaus ist, wie H. Wagner
nachweist 3 , bahnbrechend vorgegangen, als er auf seine Allgemeine Weltkarte in
Mercators Projektion (Gotha 1859) schrieb: „Äquatorialmaßstab 1:55500000
der natürlichen Größe“. Der Ausdruck „Äquatorialmaßstab“ oder „Maßstab im
Äquator“ hat sich seitdem gehalten und seit 1876 trägt H. Wagners Umrißkarte
der Erde die Bezeichnung „Äquatorialmaßstab 1 :20000000“. Auch meiner, bei
Wagner und Debes im Jahre 1908 erschienenen Weltkarte in flächentreuer Projektion
habe ich den Äquatorialmaßstab 1 : 20000000 4 und der entsprechenden Handumriß
karte 1 : 90000000 gegeben. Die flächentreue Weltkarte in meinem Wirtschafts
atlas der deutschen Kolonien (Berlin 1912) trägt die Bezeichnung: Äquatorial- und
Mittelmeridianmaßstab 1 : 150000000, wobei lediglich die Gesamtlänge vom Äquator
wie auch vom Meridian zu verstehen ist.
Für die polwärts wachsenden Längengrade der Mercatorprojektion hat man
graphische Maßstäbe konstruiert. Mercators berühmte Karte trägt noch keinen
derartigen Maßstab. Er begegnet uns am frühesten auf der Karte von Henricus
Hon diu s: Navigatio ac itinerarium Johannis Linscotani. Hagae-Comitis 1599. 5
156. Der Meridian als Maßstabträger. Nächst dem Äquator war der Mittel -
meridian die gegebene Maßstablinie. Erst nachdem man nach 1880 gelernt hatte,
die äquidistanten (mittabstandstreuen) Azimutalprojektionen bei jeder Erdlage an
zuwenden, hat der Maßstab Bezug auf die Meridiane genommen. Bei den Karten
netzbildern von Wenz und Kartenprojektionstheoretikern seiner Zeit finden sich
keine Andeutungen über Meridionalmaßstäbe. 1892 gibt A. Breusing in seinem
Werkchen über Das Verebnen der Kugeloberfläche für Gradnetzentwürfe drei
kleine Planiglobenkärtöhen in pol-, äquator- und zwischenständigem speichentreuem
Entwurf, leider ohne Maßstabbezeichnung. Erfreulicherweise liest man in Debes
Neuem Handatlas (Ausgabe 1913) bei den Erdhälftenkarten von einem Raclial-
1 Was für Unklarheiten über den Maßstab herrschen, dazu gibt die unsachgemäße Behandlung
des Abschnittes „Maßstab“ eine treffliche Illustrierung bei A. Hoderlein: Anleitung zum Krokieren,
Kartenlesen u. f. Geländeerkundung. 7. Aufl. Nürnberg 1916.
2 Die Erläuterungen sind auch einzeln käuflich zu erwerben. — Über den Maßstab wird im
Briefkasten einer der bekanntesten illustrierten Wochenschriften ein Einsender wörtlich so belehrt:
„Der Maßstab auf Ihrer Landkarte, 1:25000, bedeutet, daß eine Verkleinerung der Karte erfolgte,
insofern als 1 cm gezeichnet wurde für eine Strecke von 25000 cm = 1 / i km. Sie können daher mit
dem Metermaß genau feststellen, wie weit ein Ort vom andern entfernt ist, wenn Sie das gewonnene
Ergebnis mit 25000 cm oder 1 / i km multiplizieren.“ (!)
3 H. Wagner, a. a. O., S. 38.
4 M. Eckerts Flächentreue Umrißkarte der Erde. 4 Bl. mit Angabe der Einzelfelder. Äquatorial
maßstab 1: 20000000. Wagner & Debes. Leipzig 1908.
5 Wiedergegeben in A. E. Nordenskiölds „Facsimile-Atlas“. Stockholm 1880, S. 97.
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