Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Landkarte und ihr Lageplan. 
vorbereitet habe, daß die für sie bestimmten trigonometrischen Punkte in das Ko 
ordinatennetz eingetragen werden, dessen y-Achsen der Nordsüdrichtung eines be 
stimmten Meridians gleichlaufen, orientiere ich im Felde durch Drehen der Platte, 
bis eine bestimmte Verbindungslinie von zwei trigonometrischen Punkten mit der 
in der Natur beobachteten Richtung parallel läuft. Daraus folgt die Parallelität 
aller übrigen Richtungen. Das sog. Koordinatennetz muß sauber und äußerst peinlich 
auf der Meßtischplatte angelegt sein. Die gleiche Rolle spielt bei den chorographischen 
Karten das Liniennetz der Projektion und hierbei wiederum (für die Mehrzahl der' 
Karten!) die sichere Lage der Nordsüdlinie (des Mittelmeridians). Meistens ver 
bindet die Nordsüdlinie die Mitte des obern mit der des untern Kartenrandes. Es 
ist für die Karte durchaus nicht notwendig, daß N immer oben und entsprechend 8 
unten am Kartenrand liegen muß. Orientieren heißt ganz allgemein, der Karte eine 
bestimmte Richtung geben. Die Gegend, wo die Sonne aufgeht (oriri), war den Alten 
die Haupthimmelsrichtung. Vom Osten kommt das Licht und mit der Sonne die 
Energiequelle aller Lebewesen, die Wärme, im Osten liegt das Paradies, die Wiege 
des Menschengeschlechts, im Osten liegt das Heilige Land mit Jerusalem, dem Mittel 
punkt frühmittelalterlicher Erdkunde. 1 Naturphilosophische und religiöse An 
schauungen wiesen nach dem Osten. So mag der Begriff ».orientieren“ = ,,sich 
nach dem Osten oder Orient wenden“ entstanden sein. Wenn dies als ziemlich sicher 
anzunehmen ist, ist es noch nicht historisch quellenmäßig festgelegt. Der Begriff 
„Orientieren“ nahm bald einen weitern Umfang im Sinne des „Sichzurechtfindens“ 
an. In dieser Bedeutung wird er heute allgemein gebraucht. 
167. Arten der Orientierung. Wenn der Osten von den Alten als Hauptrichtung 
erkannt wurde, mußte dies auf den Karten sichtbar sein. Es war ebenso natürlich 
wie praktisch, den Osten nach oben ins Kartenbild zu legen. Nach 0 zu erstreckte 
sich die den Alten bekannte Welt am weitesten. All diese Momente trugen dazu bei, 
die Karten ostwärts zu orientieren. Mit wenigen Ausnahmen sind alle Mönchs- oder 
Radkarten des Mittelalters nach 0 orientiert. Unter ihnen, die vom 10. bis zum 
15. Jahrhundert das Abendland beherrschen, seien nur genannt: Orbis exhibitus 
apud Anglosaxonos saeculi X (Brit. Mus.), die Radkarten von Marino Sanudo (Petrus 
Vesconte) 1320 (Paris) und Andreas Bianco 1436 (Venedig), die Weltkarte von Pom- 
ponius Mela 1417 und die farbenprächtige Ebsdorfer Weltkarte aus dem Ende des 
13. Jahrhunderts. 1 2 
Von den Weltkarten, die nach S orientiert sind, besitzen wir neben einigen 
bemerkenswerten Leistungen eine ganze Anzahl unansehnlicher Gebilde aus dem 
12. und 13. Jahrhundert und ältere und jüngere arabische Kartenskizzen. Das Ver 
worrenste an Orientierung finden wir auf der oval geformten Beatuskarte aus dem 
13. Jahrhundert in der Nationalbibliothek zu Paris. 3 Die südliche Orientierung 
der Karte war den Arabern entlehnt. Aber mit einer Willkür werden Länder, Meere 
und Himmelsgegenden behandelt, daß Miller zu dem Ausspruch berechtigt ist: „Diese 
1 Vgl. K. Kretschmer: Die Entdeckung Amerikas. Berlin 1892; Atlas mit Text, S. 102ff. 
2 In Nordenskiölds Periplus sind noch eine Reihe Karten mit östlicher Orientierung wieder 
gegeben. Die östliche Orientierung war für die spätem Seekarten des Mittelmeers eine häufige Er 
scheinung. Vgl. M. Boschini: L’Arcipelago, Venecia 1658. Hier ist der griech. Archipel nach 0 
orientiert, Candia nach X usw. [H. u. St. Bi. München]. 
3 Konr. Miller: Die ältem Weltkarten. II. T. 2.
	        
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