Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

1 )as Generalisieren. 
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Mißt man verschiedene Objekte auf dem Meßtischblatt nach, erkennt man, 
daß das natürliche YerjüngungsVerhältnis nicht gewahrt ist. Insonderheit ist die 
Breite der Straßen, Eisenbahnen, Bäche auf Kosten der benachbarten Gebiete ver 
größert. Wieviel mehr zeigt sich diese Verbreiterung der Verkehrswege auf der Karte 
des Deutschen Reiches. Ein aufmerksamer Vergleich zwischen ihr und Meßtisch 
blatt läßt bereits eine Vereinfachung der Ortszeichnung erkennen. Trotzdem hob 
Morozowicz, weiland Chef der preußischen Landesaufnahme, hervor, daß sich in 
dem Maßstab 1 : 100000 noch alle militärisch wichtigen Einzelheiten ausdrücken ließen 
und andererseits die Übersichtlichkeit möglichst bewahrt bliebe. Der zweite Teil 
des Satzes gilt heute noch, indes hat der jüngste Krieg höhere Anforderungen an die 
Karte gestellt und alle militärischen wichtigen Einzelheiten kann der Maßstab 1 : 100000 
nicht mehr ausdrücken. 
Bei den topographischen Übersichtskarten 1 : 200000 bis 500000 läßt sich der 
Reduktionsprozeß des Karteninhaltes im Vergleich mit dem Meßtischblatt schon 
greifbarer verfolgen. Raummangel und das Interesse an Deutlichkeit und Lesbar 
keit der Karte machen sich geltend, wenn alle Objekte berücksichtigt werden sollten. 
Komplizierte Eormenelemente weichen einer vereinfachtem Linienführung. Mit 
einem Worte: Es wird generalisiert. 1 Ganz allmählich hört der individuelle Charakter 
des maßstäblich Großen auf, und wir werden halb bewußt, halb unbewußt zu einem 
allgemeinem Typus hingeführt, bis das Symbol bei den chorographischen Karten, 
vom Maßstab 1 : 500 000 und kleiner werdend an, den alten, die Natur wiederspiegelnden 
Grundriß ganz verdrängt hat. Dieser Vorgang, der sich an der Hand des jetzigen 
Kartenmaterials leicht entwicklungstechnisch nach weisen läßt 1 2 , hat die Problem 
stellung der Generalisation mannigfaltig befruchtet und Licht in die Arbeits- und 
Denkstätte des Kartographen geworfen. 
Bei der Generalisierung schreitet man von den großmaßstabigen Karten zu den 
kleinmaßstabigen. A. Hettner macht darauf aufmerksam, daß der geschichtliche 
Gang der Entwicklung der umgekehrte gewesen ist, daß man von den Karten kleinern 
Maßstabes allmählich zu denen großem Maßstabes gelangte, von der übersichtlichen 
und generellen Darstellung zur ausführlichen und speziellen. 3 Das stimmt nicht 
ganz, großmaßstabige Karten sind stets neben kleinmaßstabigen einhergegangen. 
Neben Übersichtskarten von Ländern und Erdteilen vergangener Jahrhunderte be 
gegnen wir Plänen und Karten in großen Maßstäben. Wir brauchen gar nicht an 
altägyptische, altchinesische und altmexikanische Karten und Pläne zu denken. 
1 H. Siegfried (t 1879) bezeichnet die Karten 1: 150000 bis 1:300000 als „Generalkarten“ 
und sagt über sie im Bericht über „Geographische und cosmographische Karten und Apparate“ in 
der Internationalen Weltausstellung 1878 in Paris (Zürich 1879, S. 13): „Eine Generalkarte erfordert 
eine intelligente Redaktion mit Hervorhebung des Wichtigen, Unterdrückung des Unwesentlichen 
und Vermeidung der Überladung. An Ortschaften enthält 'sie jedenfalls alle Gemeinden, die jedoch 
bloß durch konventionelle Zeichen eingetragen werden. Das Netz der Kommunikationen soll voll 
ständig sein und die Klassifikation desselben ausdrücken. Das Relief des Terrains soll noch zum voll 
ständigen Ausdruck kommen, jedoch mit Unterdrückung der kleinern Formen, in großem Maßen 
generalisiert.“ 
2 In den verschiedensten Schulatlanten, selbst in Volksschulatlanten, hat man Kartenaus 
schnitte aneinander gereiht, um die Reduktionsmaßstäbe und damit die Tätigkeit des Generalisierens 
zu veranschaulichen. 
3 A. Hettner: Die Eigenschaften und Methoden der kartographischen Darstellung. G. Z. 
1910, S. 22.
	        
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