Das Generalisieren.
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gene ralisieren, wenn sie z. B. die Küsten- und Flußlinitn in flüchtigen Faustzeichnungen
wied ergehen und alle kleinem Terraingebilde einfach fortlassen. Das ist ein großer
Irrtum, an dem eben viele minderwertige Kartenprodukte kranken.
Bei der kartographischen Fixierung jeder Form muß eine ernste Überlegung
vorangehen, um das Charakteristische in generalisierter Gestalt zu erkennen und
deutlich wiederzugehen. In diesem Sinne arbeiten eigentlich nur die wenigen, bekannt
besten kartographischen Anstalten des In- und Auslandes. Gerade die großen Meister
des Generalisieren, wie A. Petermann, E. v. Sydow r . C. Vogel und H. Habenicht
haben gelegentlich von Kartenbesprechungen und kleinern Aufsätzen in Petermanns
geographischen Mitteilungen immer wieder auf die Schwierigkeiten des Generali
sieren hingewiesen. E. Weller urteilt geradezu über A. Petermann, daß dessen
ganzes kartographisches Talent und bewährte Meisterschaft sich in der „geistvollen
Généralisation“ bekunde 1 ; und Peter mann äußert selbst: „Bei Karten kommt
alles auf eine zweckmäßige Généralisation an.“ E. v. Sydow sagte fast zur gleichen
Zeit: „Nur wer Herr des Stoffes ist und mit seiner Hand das leisten kann, was der
Geist will, ist fähig, richtig und gut zu generalisieren.“ 1 2 Und späterhin sagt C. Vogel,
daß bei der Auswahl und Beschränkung des Stoffes nichts zufällig sein darf, „und
nur ein verständiger, kritisch richtender und routinierter Kartograph wird imstande
sein, dabei stets das Richtige zu treffen“. 3 Das veranlaßt^ H. Wagner in seinem
Lehrbuch zu sagen, daß sich diese Kunst nur durch langjährige Übung erlernen läßt 4 ,
und im Nekrolog zu Carl Vogel hebt er dessen Meisterschaft im Generalisieren ganz
besonders hervor, die nicht nur auf die Hervorhebung des plastischen Gesamtbildes
hinarbeitete, sondern auch auf unzählige Einzelheiten der Bodengestaltung, die der
Maßstab noch gut vertragen kann. 5 Darum sind sämtliche Karten Vogels so außer
ordentlich zuverlässig und bieten für weitere wissenschaftliche Arbeiten gute Grund
lagen. Außer in Deutschland findet man in Frankreich, in England, in der Schweiz
und in Österreich einige Beispiele gut generalisierter Karten in den Maßstäben von
1 : 500000 bis 1 : 1000 000. 6
Die schwierigste Arbeit bei der Generalisierung ist die Bearbeitung des Ge
ländes. Um auf topographischen Grundlagen eine gute Karte in 1 : 500000 und
kleinern Maßstäben bis etwa 1:4000000 herzustellen verlangt viel Zeit und ge
waltige Arbeit. Ist diese gelungen und vollständig zufriedenstellend, so ist sie
eine wissenschaftliche Leistung ersten Ranges, denn sie erfordert nicht bloß Meister
schaft in der Handhabung des Zeichengriffels, sondern auch eine gediegene Kenntnis
vom morphologischen Aufbau der Erdrinde. Bei Nichtvernachlässigung wichtiger
Einzelheiten müssen die großen eigentümlichen Züge des Geländes ins Auge springen.
Jede Einzelform muß sich harmonisch dem Ganzen ein- und anfügen. Darin kann
1 E. Weller: August Petermann. Ein Beitrag z. Gesell, der geogr. Entdeckgn. u. d. Kartogr.
des 19. Jahrh. Bd. IV i. Quellen u. Forschungen zur Erd- u. Kulturkunde; hg. von R. Stühe. Leipzig
1911, S. 196.
2 E. v. Sydow: Der kartographische Standpunkt Europas im Jahre 1866 — 1869. P. M. 1870,
S. 180.
3 C. Vogel: Generalstabskarte des Deutschen Reiches in 674 Blättern u. im Maßstab 1: 100000.
P. M. 1880, S. 189.
4 H. Wagner, a. a. O., S. 242.
5 H. Wagner: Carl Vogel f- P* M. 1897, S. III.
8 Z. B. Carte de France. 1: 600000. Dressée, gravé et publié par le Service géographique
de l’Armée. Paris 1894.