Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die Landkarte und ihr Lageplan, 
Die Meeresteile werden je nach der Größe in verschieden abgestimmter „offenen 
oder Hohlschrift“ dargestellt bis hinab zu den kleinen Buchten, für die man die Haar 
schrift vorzieht. Die Hauptflüsse, die Hauptgebirge werden in großem und auffälligem 
Buchstaben geschrieben als die Nebenflüsse und kleinen Hügelketten. Der Name 
einer Yolksrasse erscheint in großem Lettern als der für die kleinen Volkssplitter, 
die von jener noch nicht absorbiert sind. — Zuletzt spricht der Maßstab das aus 
schlaggebende Wort für die Schriftgröße. 
Ein eigenes Prinzip in der Beschriftung für Ortschaften bringt der groß angelegte 
Grande Atlante Internationale del Touring Club Italiano zur Durchführung. 1 Die 
Ortsignaturen entsprechen wohl den Einwohnerzahlen, die Größe der Schrift hingegen 
richtet sich nach der Wichtigkeit des Ortes. Diese Trennung ist bisher noch in keinem 
Kartenwerk von Bedeutung durchgeführt worden. Zweifellos werden dadurch für 
den Kartenleser unklare Schematisierungen vermieden, an denen die Atlanten in 
der althergebrachten Beschriftung, wo die Schrift gleich den Ortszeichen nur der 
Einwohnerzahl nach klassifiziert wird, kranken. Da tritt z. B. ein Seehafen, der 
weniger Einwohner hat als ein anderer Ort mit wenig mehr Einwohnern ohne jede 
Wichtigkeit, zurück oder unterscheidet sich nicht. Derartigen Mißständen will die 
italienische Schreibweise begegnen. Das ist sicherlich ein guter, vernünftiger und 
fortschrittlicher Gedanke, wenn auch nicht in Abrede zu stellen ist, daß es oft sehr 
schwierig sein wird, die Bedeutung eines Ortes, die wirtschaftlicher, administrativer, 
wissenschaftlicher, künstlerischer, historischer, baineologischer Natur sein kann, richtig 
abzumessen. Wir wollen die italienische Art und Weise der Schriftunterscheidung 
kurz die kulturhistorische nennen. 
Durch die Schriftart, den Duktus, können begriffliche Unterscheidungen 
getroffen werden. Durch Bund- oder Botundschrift werden auf österreichischen 
offiziellen Karten großen Maßstabes die orographischen Elemente bezeichnet. Die 
Italiener, die bei den Österreichern in die Schule gegangen sind, haben diese Art Be 
zeichnung für ihre Generalstabskarte übernommen und die Karten 1 : 25 000 in der 
alpinen Gegend sind den österreichischen ebenbürtig. Die Karte 1 : 100000 trägt 
gleichfalls die Bundschrift für die Berge, strebt aber im übrigen Schriftduktus nach 
größerer Klarheit als die ältere österreichische in 1:75000. Im allgemeinen ist es 
nicht zu empfehlen, verschiedene Schriftarten auf ein- und derselben Karte zu ge 
brauchen, da ein Wechsel des Duktus auf Karten kleinern Maßstabes die Über 
sichtlichkeit und Klarheit nicht erhöht. 
Die Stellung der Buchstaben erlaubt gewisse begriffliche Unterscheidungen. 
Bückwärtsliegende Schrift deutet lediglich auf Flüsse. Die Buchstaben müssen sich 
möglichst dem Flußlauf anschmiegen und so verteilt sein, daß kein Irrtum wegen 
Ursprung und Mündung, Haupt -und Nebenfluß entsteht. Punkt 7 der Besolutionen 
der Londoner Weltkartenkonferenz (1909) bestimmt ausdrücklich, daß schrägstehende 
Schrift, wie bisher vielfach üblich, für die hydrographischen Elemente der Weltkarte 
anzuwenden^ist. Vorwärts liegende Schrift wird auf den offiziellen Kartenwerken 
zur Bezeichnung von Dörfern ohne Kirche, von Vorwerk oder anderm großem Gehöft, 
von kleinen Gehöften," überhaupt von Gegenständen von geringer Bedeutung, wie 
Hünengräbern, N. P., Kgr. usw. gebraucht. In ausgiebiger Weise wendet man für 
1 Grande Atlante Internationale del Touring Club Italiano. Nota per TVIII Congresso Geo 
grafico Italiano. Firenze 1921, S. 22, 23.
	        
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