358
Die Landkarte und ihr Lageplan.
haben wir kleine und fleißige Arbeiten, indessen große zusammenhängende und von
liöherm Gesichtspunkte aus geleitete fehlen bisher.
Zu der Untersuchung der Vervollkommnung der Küstenumrisse gesellt sich die
über die Richtigkeit der Küstenlinienführung und damit zusammenhängend die
Richtigkeit der Landflächen bzw. der Meeresteile. Wie lange hat es gedauert, bis
der Indische Ozean als ein von Ptolemäus inauguriertes Binnenmeer verschwand 1 ,
bis die erdrückende Größe der Terra australis des Südpols, von Ptolemäus gleichfalls
geschaffen und bis zu den Zeiten Kants 1 2 und der beiden Förster 3 geglaubt und ver
teidigt, auf ein normales Maß zusammenschrumpfte, bis das Mittelmeer in seine
richtige Längsachse eingespannt wurde und das Kaspische Meer einigermaßen in
seine richtige Gestalt hineinwuchs.
An alten Ptolemäischen Fehlern krankte die Kartographie wie Astronomie,
und beide hatten auf Jahrhunderte das Weltbild verunstaltet und verzerrt. 4 Erst
die Kepler-Eckebrecht sehe Weltkarte: Nova orbis terrarum delineatio singulari
ratione accommodata meridiano tabb. Rudolphi astronomicarum Sumptus
faciente Jo. Kepplero Sculpsit Norimbergae T. H. P. Walch j. Ao. 1630, ist der erste
Versuch zu einer fundamentalen Verbesserung des gesamten Weltbildes. 5 Damit
entfällt der Ruhm für die Verbesserung der Mittelmeerbilder, den 0. Peschei dem
Guillaume Delisle zuspricht 6 , auf Kepler. Eckebrecht war lediglich der Geldgeber,
1 Die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien hat diesen Fehler beseitigt, nicht aber den
andern ptolemäischen, die übermäßige Erstreckung der Landmassen in ostwestlicher Richtung, der
erst um 1700 verschwand.
2 Immanuel Kants physische Geographie. Hg. von Fr. Th. Rink. I. Königsberg 1802,
S. 24, 25.
3 Johann Reinhold Försters Bemerkungen auf seiner Reise um die Welt, übersetzt von
Georg Förster. Berlin 1783, S. 58ft.
4 Der berühmteste Kartenfehler der spätmittelalterlichen Karten bis hinein ins 18. Jahrh.
war die falsche Wiedergabe der westöstlichen Erstreckung des Mittelmeeres, die zu 62 Längengraden
anstatt zu 42 angenommen wurde, basierend auf Ptolemäus, der zur Berechnung der Längen den
Äquatorgrad mit 700 Stadien statt mit 500 angenommen hatte. Als erstes richtiges Bild des Mittel
meeres macht J. Lelewel (Epiloque de la géographie du moyen âge, Bruxelles 1857, p. 234) die Karte
von N. Berey in Paris vom Jahre 1646 namhaft, eine Kopie der Blaeuschen Seekarte von Europa.
Das Original dürfte mithin einige Jahre älter sein, vielleicht nicht ganz so alt wie die Kepler-Ecke -
brechtsche Karte vom J. 1630. Der Atlas zur Geographie du moyen âge von Lelewel enthält auf
T. 40 eine hübsche Skizze, worauf mit blauem Küstenumriß das Ptolemäische Bild des Mittelmeers
und mit rotem dessen jetzige Gestalt gegeben wird. T. 49 bringt einen Ausschnitt aus der Karte von
Nie. Berey, bzw. von J. Blaeu(x), sowie den Vergleich von Delisle (eine spätere Arbeit von ihm) der
Karte des Mittelmeers mit der Ptolemäischen Darstellung. Farbige Küstenumrisse erhöhen die An
schaulichkeit. Übrigens befindet sich in der Sammlung (T. 44) die Wiedergabe einer Karte von Jo
hannes Ruysch: Nova et universalior cogniti orbis tabula, ex recentibus confecta observationibus
1507, 1508, worauf das Mittelmeer eine Längenausdehnung von rund 47° besitzt. Die Karte ist ver
öffentlicht in den Ptolemäus-Ausgaben in Rom 1507 u. 1508. Sie beweist im Vergleich zu andern
Ptolemäischen Karten, auf denen das Mittelmeer so verzerrt dargestellt ist, wie wenig mathematisch
kritisch von den damaligen Kartographen gearbeitet wurde. Vgl. insonderheit die gute Reproduktion
der Karte Ruyschs vom J. 1508 in Originalgröße in Nordenskiölds Facs.-Atlas, Taf. XXXII. —
Vgl. auch meine Ausfühiungen auf S. 31 nebst Anm. 2.
5 Christ. Sandler: Die Reformation der Kartographie um 1700. München und Berlin 1905,
S. 3 u. 4.
6 O. Peschei: Geschichte der Erdkunde. 2. Aufl., hg. von S. Rüge. München 1877, S. 671.
Peschei spricht auch davon, daß G. DelislesKarten von 1700 noch die entstellten Züge derPtolemäischen
Bilder tragen, indessen reproduziert dir. Sandler eine Karte (Nr. V) von Delisle aus dem Jahre 1700,
die das Mittelmeer in seiner richtigen Längenausdehnung zeigt.