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Die Landkarte und ihr Lageplan.
Diese Gepflogenheit der Kartenbeschriftung hat sich bis heute erhalten. Trotz dei
freien Flächen erfordert sie Geschick und Überlegung.
199. Darstellung der Binnenseen. Letztere unterliegen denselben kartographischen
Darstellungsprinzipien wie das Meer, nur daß der Umriß der Seen in seiner Genauigkeit
hinter der der Küstenzeichnung lange Zeit nachhinkte. Auf allen Karten, auf denen
schon einigermaßen die richtige Gestalt der Festländer, Halbinseln und Inseln zu er
kennen war, erscheinen Binnenmeere noch als Kreise oder Ovale, wie auf der Weltkarte
des Albertin de Virga. Beispiele hierzu lassen sich zu Dutzenden finden, insbesondere
auf arabischen Karten. 1 Die Wandgemälde der alten Ägypter zeigen Signaturen,
wie sie heutigen Karten entsprechen; so werden in den Gräbern von Theben die Teiche
mit Wasserschraffierung wiedergegeben, desgleichen auf der sogenannten nubischen
Goldminenkarte (S. 402). Alle modernen Kartenwerke, sofern sie Farbenplatten
verwenden, bringen die Binnenseen blau, ebenso die zahlreichen Einzelstudien über
Binnenseen. 1 2
200. Das kartographische Bild der Gletscher. Die an Binnenseen wie an Ströme
erinnernden Gletscher erhalten in farbiger Darstellung das Blau, aber nicht als
Flächenfarbe, sondern nur flecken- und strichweise, wodurch der liquide Charakter
besser versinnbildlicht werden soll. Selbst auf den modernen Alpenkarten (Sieg
friedatlas, Karten von L. Aegerter) ziehen sich die Isohypsen, für die die braune Farbe
gewählt ist, in blauer Tönung über die Gletscher hinweg. Auf ältern Karten nahm
man dazu die Zeichnung von Punkten 3 , Eiskristallen 4 , und die älteste uns bekannte
Darstellung eines Gletschers, des Ötztaler Ferners, die Zeichnung eines mächtigen
Bergstocks zu Hilfe. 5
201. Die zeichnerische Entwicklung der Flüsse. Die Flüsse haben einen langen
Gang zeichnerischer Entwicklung durchgemacht, bevor sie uns mit dem technisch
und wissenschaftlich einwandfreien Bild von heute erfreuen konnten. So einfach
die Darstellung erscheint, so kompliziert war sie für das Mittelalter. Man kannte
wohl Flüsse; der eine hatte von ihrem Ursprung gehört, der andere ihre Mündung
1 So auf Karten von Isstakhri und Edrisi; selbst auf der Weltkarte aus d. J. 1375 „Carte
catalane“. [Bibi, des Louvre, Paris.]
2 So von W. Halbfass, A. Geistbeck („Die Seen der deutschen Alpen“, Leipzig 1885; nur
in blauen Isobathen), W. Ule, G. Braun u. zahlreichen andern. Nicht zu übersehen sind die Spezial
karten der Schottischen Seen, die bei Bartholomew in Edinburg bearbeitet worden sind.
:i R. Leuzinger: Ober-Wallis, Berner Alpen u. Simplongebirge. 1: 200000. P. M. 1866, T. 11.
4 Sydow u. H. Berghaus: Deutschland 1:220000. Gotha, s. a. [U.-Bi. Göttingen.]
5 Auf der Karte Tirols bei Merian „Topographia provincianun Austriacarum“ 1649 erscheint
der gleiche Ferner in ähnlicher Darstellung, woraus E. Oberhummer schließt, daß bei Merian nur
eine verkleinerte Nachbildung der Yglschen Karte vorliegt. Oberhummer reproduziert den betreffenden
Ausschnitt aus Merians Karte in Z. d. D. u. Ö. A.-V. 1901, S. 39, späterhin bringt er in derselben Zeit
schrift (1907) eine gute Reproduktion des Gletscherbildes aus W. Ygls Karte von Tirol 1604 (Abb. 7,
S. 8) und im Jahrgang 1909 (S. 10) Bemerkungen über das Wort Gletscher und sein erstes kartographi
sches Auftreten. Wenn aber Oberhummer sagt: „Daß das Wort ein Schweizer Lokalausdruck war
und in den Ostalpen erst im 19. Jahrh. durch die Wissenschaft und die Touristik eingeführt wurde,
ist bekannt“, so ist diese Ansicht zu korrigieren, denn auf der großen Tirolerkarte (Atlas tyrolensis)
von P. Anich und Bl. Hueber, 1774, heißt es „Ferner oder Eisglitscher“. — Bis jetzt fehlt noch
eine eingehende kartographisch-historische Arbeit über die Darstellung der Gletscher, die gewiß auch
manche bemerkenswerte Seite des Gletscherphänomens zutage fördern würde.