Darstellung der von der Natur gegebenen geographischen Objekte.
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gesehen; man wußte, daß das Land allenthalben von Müssen durchzogen war. Aber
wie sie in das Kartenbild hineinbringen? Wenn wir heute manches schlechthin als
laienhaft auf den Kartenbildern verurteilen, werden wir der alten Zeit nicht gerecht
und ahnen nichts von dem Ringen des Künstlers von damals, des flüssigen Elements
eines Landes im Bilde halbwegs Herr zu werden. Über die Lagerung der Gebirge
war man noch in Halbdunkel gehüllt, die Abdachung des Landes war eine Terra in-
cognita und von den großen Wasserscheiden hatte man nicht die blässeste Ahnung.
So nimmt es uns nicht wunder, wenn wir auf den alten Kartenblättern zahlreichen
Bifurkationen begegnen, ja sogar sich kreuzenden Flüssen, wie z. B. auf der Welt
karte von Virga. 1
Erst zu Mercators Zeiten und zur Reformation der Kartographie um 1700 wird
die Flußbezeichnung sicherer, sie wird geographischer. Die Reisebeschreibungen
hatten sich beträchtlich vermehrt und wurden eifrig für das Kartenbild ausgewertet.
Trotzdem treten noch manche schier unglaubliche Errata bezüglich des Flußnetzes
auf. Wie ein böses Fatum zieht sich z. B. auf manchen Karten bis ins 17. Jahrhundert
hinein der falsche Lauf der Spree, die sich mit großer Hartnäckigkeit immer wieder
in die Ostsee ergießt. 1 2 Nur die besten Kartenbearbeiter sichteten hierbei kritisch. 3
Trotz dieser und anderer Versehen war es der erklärliche Lauf der Dinge, daß die
Flußzeichnung in bezug auf Richtigkeit ihrer einzelnen Elemente der Gelände
darstellung weit vorausgeeilt war, sie hatte eben nur mit der zweidimensionalen Aus
dehnung zu rechnen, während das Gelände außerdem noch der Höhe gerecht werden
muß, sie konnte darum schneller zu einem einwandfreien Bilde als das Terrain ge
langen.
Da die Flüsse einen wesentlichen Bestandteil der Situation eines Kartenblattes
ausmachen, werden sie in der Hauptsache mit der Situationsplatte gedruckt, also
meist in Schwarz. Der mehr logischen Forderung, die Flüsse blau zu drucken, kommen
nur moderne Karten nach, insbesondere die offiziellen Karten verschiedener Staaten
und die ausgesprochenen hydrographischen Karten und Atlanten. Schöne und
brauchbare hydrographische Karten sind in jedem gehobenem Staatswesen zu finden. 4
Besondere Blaudruckplatten für das Flußnetz und die Binnenseen finden wir auf
1 Von mir öfters zitiert, weil sie als Festgabe des k. k. Ministeriums f. Kultus u. Unterricht
f. d. XVIII. Deutsch. Geographentag in Innsbruck 1912 jedem leicht zugänglich ist.
2 Auf der Romweg-Karte 1501 von Etzlaub mündet die Spree direkt bei Stralsund in die
Ostsee; ebenso auf S. Münsters Karte von Deutschland 1540, auf Pyramius Wandkarte 1547, auf
Gastaldos „Germania“-Karte 1564 (ca. 1: 4000000); auf dieser Karte liegen Sittar (Zittau), Bauzen,
Berlin, Snalßunt (Stralsund) an der Spree. Hierher gehört auch die „Beschreibung des weith Berümpten
Deutschlandt“, Nürnberg 1569, worauf Spree und Havel selbständige Ostseeflüsse sind (s. oben S. 34).
3 In G. Mercatoris Atlas sive Cosmographicae Meditationes de Fabrica Mundi et Fabricati
Figura, hg. von J. Hondius, Amsterdam 1607, fließt die Spree durch Berlin und wendet sich der Elbe
zu; an dem Ortszeichen für Bautzen steht „Laußnitz“. — Auf den spätem hydrographischen Karten
von Homann und von Seutter hat die Spree ihren richtigen Lauf.
4 Deutschland besitzt die ausgezeichnete „Wasserkarte der Norddeutschen Stromgebiete“ in
1:200000. 42 Blatt nebst einer Übersichtskarte. Hg. vom k. Preuß. Ministerium f. Landwirtschaft,
Domänen u. Forsten, Berlin 1893. Darauf sind die Flüsse blau gedruckt u. die Wasserscheiden rot.
Die Wasserscheiden der Hauptströme sind durch Strich-Punkt-Strich-Punkt usw. getrennt, die der
Zuflüsse I. Ordnung durch dicken Strich, II. Ordnung durch feine gerissene Linie u. III. Ordnung
durch feine Punktierlinie. Das djextbuch hierzu gibt den Flächeninhalt der einzelnen Bach-, Fluß-
und Stromgebiete in Quadratkilometern. Für Studienzweckc sehr empfehlenswert.