Darstellung der von der Natur gegebenen geographischen Objekte.
367
Großmaßstabige Karten müssen wegen der Gesamtanlage des Blattes ihr Haupt
augenmerk auf die hydrographische Ausstattung des Landes richten. Die Richtigkeit
der Situation ist in hohem Grade davon abhängig. Die Aufnahmen in der Natur
können nicht sorgfältig genug hergestellt werden, selbst wenn sie wie die sumpfigen
Flußgelände höchste Anforderungen an die physischen und intellektuellen Kräfte des
Topographen stellen. Bei den deutschen Aufnahmen ist es üblich, Bäche und Gräben
bis zu einer Breite von etwa 2 m noch in zwei Linien zu zeichnen. Wasserläufe, die
man ohne weiteres überspringen kann, werden durch einfache Linien dargestellt.
Dabei ist streng darauf zu achten, daß durch kleine Pfeilstriche die Richtung des
Laufes angegeben wird. Es wäre zu wünschen, daß man von dieser Art Pfeile auf
den Handatlaskarten reichlicher Gebrauch machen würde, hauptsächlich auf den
Spezial- und Nebenkarten.
Die Flüsse mit den Uferlinien zu zeichnen, geht bis ins graue Altertum zurück
und ist bis in neuere Zeiten hinein die üblichste Darstellungsart geblieben. Auf den
ältesten Dokumenten wird die Wellenbewegung des Wassers mit dargestellt, wie beim
Euphrat auf dem ältesten Stadtplan, den wir kennen, auf einer Keilschrifttafel im
Britischen Museum zu London; dieser Stadtplan von Babylon dürfte um die Mitte
des 7. Jahrhunderts v. Chr. entstanden sein. 1 Die gleiche Wasserbezeichnung erkennt
man auf den römischen Flurplänen von Tarracina und Minturnae. Auf allen Spezial
karten werden die Flüsse, bei denen die Uferlinien weit genug auseinandergezogen
sind, mit schmückendem Beiwerk versehen, weniger mit fabelhaften Tieren wie die
Meere, wohl aber mit Fischen und Fahrzeugen. Auf der ersten wirklichen Landkarte,
die wir besitzen, auf der Mosaikkarte von Mateba (Mataba, Madaba), die zwischen
520 und 550 n. Chr. entstanden ist 1 2 , erkennen wir, wie sich Fische im Jordan
tummeln, indessen nicht im Toten Meer, das nur von Ruderbooten befahren wird. 3
Aus der Zeit der Renaissance melden sich die Karten des nordwestlichen und
östlichen toskanischen Gaus von Leonardo da Vinci. 4 In Seb. Münsters Cosmo-
graphie (1544) erblicken wir die Flüsse als Flußbänder, die auf die Karte wellig auf
gelegt und in den Windungen schraffiert erscheinen. Sogar als geflammte Bänder
1 Der Plan ist wiedergegeben auf S. 72 der Verh. des XVI. Deutschen Geographentages zu
Nürnberg 1907 in dem Vortrag von E. Oberhummer: Der Stadtplan, seine Entwicklung und geo
graphische Bedeutung. — Zuerst brachte das Bild der Keilschrifttafel mit der babylonischen Erd
karte P. Haupt in „Über Land und Meer“, Bd. 73, 1894—95, S. 348. — Auch K. Weule bringt es
in „Weltall und Menschheit“, s. a. III., S. 317. — Der Vortrag von Oberhummer enthält ferner die
Abbildungen der oben weiterhin nachgenannten römischen Flurpläne.
2 W. Sie gli n nimmt an, daß die Karte kurz vor 527 entstanden ist. Mit. u. Nachr. des deutsch.
Palästina Vereins 1897, S. 79.
3 Kretschmer: Die neugefundene Mosaikkarte von Madaba nach dem Originalberichte des
Entdeckers. Mit. u. Nachr. d. deutsch. Paläst.-Ver., hg. von Guthe. Leipzig 1897. — Ad. Schulten:
Die Mosaikkarte von Mataba und ihrVerhältnis zu den ältesten Karten und Beschreibungen desHeiligen
Landes. 3 Karten, 1 Taf. Berlin 1900. Abh. d. k. Ges. d. Wiss. zu Göttingen. Philol.-histor. Kl.
Neue Folge, IV. Nr. 2. — Kubitschek: Die Mosaikkarte Palästinas; Mit. d. Geogr. Ges. in Wien.
1900. Jacoby: Das geographische Mosaik von Madaba. Die älteste Karte des Heiligen Landes.
Leipzig 1905. — E. Klostermanns Ausg. des Eusebianischen Onomasticons (in der Ausg. der christl.
griech. Schriftsteller der Berliner Akademie) nimmt auch auf die Karte von Madaba Bezug. — Die
Mosaikkarte von Madaba im Aufträge des Deutsch. Vereins zur Erforschung Palästinas, gezeichnet
von P. Palmer, hg. u. erläutert von Guthe. Leipzig 1906.
4 Beide Karten, wie auch die dritte von Leonardo da Vinci sind von E. Oberhummer in The
Geographical Journal 1909, XXXIII, S. 544, 545 u. 548 nach Jean Paul Richter: The literary
works of Leonardo da Vinci“, Bd. 2, London 1883, wiedergegeben worden (s. Anm. 6, S. 361).