Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die Landkarte und ihr Lageplan. 
treten die Müsse auf der Karte auf. 1 Auf den Weltkarten des Marino Sanudo von 1320, 
des Andreas Bianco von 1436 und andern Weltkarten des Mittelalters werden die 
Müsse bis zur Quelle als Doppellinie gezeichnet, wie auch auf spätem Spezial- und 
Übersichtskarten. 1 2 Wenn Hartmann Schedel auf der Deutschlandkarte in seiner 
Nürnberger Chronik (1498) die Flüsse an den Quellen so gezeichnet, so 
liegt dies im Holzschnitt, dem es damals schwer gelang, Doppellinien zu verengen und 
in einer Spitze bzw. Linie enden zu lassen. Dadurch erhalten die Flüsse eine unnatür 
liche Breite. 3 Auch war für die Breite der ideelle Wert maßgebend, den die Zeichner 
den einzelnen Flüssen gaben. Auf W. Ygls Karte von Tirol aus dem Jahre 1604 ist 
die Etsch ein Drittel so breit wie der Gardasee. 4 Manuskriptkarten großem Maß 
stabes hielten ein richtiges Verhältnis inne. 5 Andere Kartographen zeichnen den 
Oberlauf als einfache Linie, wie Mercator, Nie. Janson (der Vater), Chr. H. Jaillot, 
Homann, M. Seutter, Visscher, G. Fr. Meyer, Nie. de Fer, G. Baillieu, G. De- 
lisle u. a. m. 
Bei besondern Flußkarten achtete man darauf, daß die Hauptflüsse doppel- 
linig, die Nebenflüsse in einfachen Linien dargestellt wurden, wie bei Sanson 6 , Ho 
mann 7 , Seutter. 8 Die schräge Beleuchtung, die durch Cassinis Carte géométrique 
de la France im 18. Jahrhundert sanktioniert wurde, ging an der Flußzeichnung 
nicht unbemerkt vorüber und gab der westlichen Uferlinie einen stärkern Nachdruck 
(Schattenlinie) als der östlichen. Die eigenartigste Hervorhebung der Flüsse finden 
wir in Beilins kleinem Seeatlas 1764 9 , worin die Uferlinien mit Schraffen versehen 
sind, die quer zum Flußlauf stehen, so daß die Flüsse wie Tausendfüßler (speziell wie 
Geophilus electricus Linné) aussehen : . Nur noch ein ein 
ziges Mal habe ich eine ähnliche Flußsignatur angetroffen. 10 
Bayern bietet uns einige ältere Kartenwerke mit sorgfältig hergestellter, guter 
Flußzeichnung, zunächst die berühmte Apianische Karte vom Jahre 1568 und 
sodann den Stromatlas von Bayern in 1:28000 von Adrian v. Riedl aus dem 
Jahre 1806. 
1 In der Nationalbibliothek zu Paris befindet sich eine Karte von einem Teil von Bayern 
zwischen Main u. Nürnberg, die vor allem den Nürnberger Wald darstellt. Sie stammt aus dem 16. Jahrh. 
Auf ihr sind die Flüsse, wie oben beschrieben, dargestellt. 
2 z. B. auf Specklins Karte vom Elsaß, a. a. O. 
3 z. B. auf der ältesten spanischen Weltkarte von 1527, von Hernando (Fernando) Colon. 
(Auf ihr sind Elbe und Oder vorhanden, nicht aber Rhein.) 
4 Vgl. Abb. 8 in E. Oberhummers Aufsatz über die „ältesten Karten der Ostalpen“ in Z. d. 
D. u. Ö. A.-V. 1907, S. 9. 
5 z. B. Fr. Lavanella: Ducato di Mantoua. Mantoue 1703. Die Flüsse sind nicht bloß doppel- 
linig gezogen, sondern auch blau ausgemalt. [N. Bi. Paris.] 
6 Sanson: Atlas Universel. Darin Karte Nr. 34. „Carte des rivières de la France“. Paris 1641. 
7 J. B. Homann: Hydrographia Germaniae. Nürnberg 1710 (?). 
8 M. Seutter: Hydrographica Germaniae delineatio. Augsburg 1725 (?). Darüber steht in 
der Ecke: Ursprung und Auslauf der berühmtesten Flüsse in Deutschland. 
9 Le petit Atlas Maritime recueil de cartes et plans des quatre parties du monde — en cinq 
volumes. S. Bellin 1764. [Geogr. Soc. Paris.] 
10 Fr. W. Spehr: Universalatlas der neuern Geographie. Braunschweig, im Kunst- und geo- 
graph. Bureau 1827.
	        
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