Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

Darstellung der von der Natur gegebenen geographischen Objekte. 
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Heute hat der einzelstehende Baum im Kartenbild eine andere Bedeutung. Er 
ist an Wegkreuzen, auf Bergkuppen usw. ein wichtiges Orientierungsmittel, für topo 
graphische und Triangulationszwecke sowohl wie für rein militärische. Darum er 
scheint er gern auf Generalstabs- und Operationskarten großem Maßstabes. Auf 
der Karte 1:80 000 setzen die Franzosen an Stelle des Einzelbaumes einen Punkt 
und schreiben „Arbre“ hinzu, selbst wenn der Baum nicht mehr existiert. 
Neben dem Einzelbaum finden sich auf altern Karten größere und kleinere 
Wälder dargestellt. Auf den sog. Beatuskarten, die wir vom 8.—12. Jahrhundert 
finden, sind einzelne Berge mit Baumsignaturen geschmückt 1 , sowie auf einem Plane 
von Jerusalem eines Manuskriptes des 13. Jahrhunderts der Bibliothek von Bour- 
gogne. 1 2 Eine Anzahl Bäume umgeben den Apollotempel von Daphne hei der Stadt 
Antiochia auf der Peutinger Tafel und kennzeichnen auf diese Weise die berühmten 
Lorbeer- und Zypressenhäme des Tempels. Auch andere große Wälder sind auf der 
römischen Keisekarte angedeutet. Der Schwarzwald (Silva Marciana) und die Vogesen 
(Silva Vosagus) sind mit Bäumen bepflanzt, wodurch sie als Waldgebirge dem baum 
losen Alpenkamm gegenüber gestellt werden. Auf dem Plan von Jerusalem nach 
Marino Sanudo (Petrus Vesconte) 3 1320 sehen wir die Wege außerhalb der Stadt von 
palmenartig gezeichneten Bäumen (eigentlich Feigenbäumen) begleitet. Bäume werden 
auch zu Gruppen zusammengepfercht, um bekannte große Wälder zu markieren. 4 
Neben dem Verfertiger der Peutingerschen Tafel ist es Phil. Apian, der auf seinen 
bayrischen Tafeln das Waldgebirge in die Karte einführte. Der Wald wurde ganz 
naturalistisch behandelt. Gute Nachfolger darin hatte er in G. Fr. Meyer (Elsaß 
karte 1703) und in Homann (Karte von Böhmen). Im Gegensatz dazu werden auf 
der Carte Chorographique de la Boheme von Müller, Paris 1757, die Berge an ihrem 
Fuße von Wäldern umsäumt. 
Die ^Renaissance, die mit kühnem Griff die mittelalterlichen Fesseln sprengte, 
brachte auf manchen Karten Bäume und Gebüsch in ihrer Eigenform vollendet zur 
Darstellung, wie beispielsweise den Macchienwald der Dünen im S der pontinischen 
Sümpfe. 5 Die realistische Darstellung von Bäumen und Baumgruppen hat sich auf 
großmaßstabigen Karten und Plänen bis zur Gegenwart erhalten. Wahre Pracht- 
karten in dieser Beziehung sind die Spezialkarten, die von den fürstlichen Schlössern 
und Parks und nahgelegenen Wäldern zu den Zeiten Ludwigs XIV. bis ins 19. Jahr 
hundert hinein gezeichnet wurden. Die Wälder wurden teils in Einzelbäume auf 
gelöst 6 , teils als dichte Wipfelpartien (aus der Vogelperspektive gesehen) gezeichnet. 7 
Die Franzoseg:! haben die Muster geliefert zu dieser ausführlichen und wirkungsvollen 
1 Konr. Miller: Die ältesten Weltkarten. Stuttgart 1895. I. Die Weltkarte des Beatus. In 
den Farben des Originals. II. T. 4, T. 5, T. 7. 
2 Jetzt in Brüssel. Vgl. J. Lelewel: Géographie du moyen âge. Atlas. Brüssel 1850, T. 32. 
a Vgl. K. Kretschmer: Marino Sanudo der Ältere u. die Karten des Petrus Vesconte. Z. d. 
Ges. f. Erdk. zu Berlin 1891, S. 352ff. — Vgl. auch Oberhummer, a. a. O., S. 83. 
4 Auf der Karte von Gallien in der Geographia di Francesco Berlinghieri, Firenze 1478 ( ?), 
ist lediglich der Ardennenwald gezeichnet; s. in Nordenskiölds Facsimile-Atlas S. 13. 
5 Auf der 3. der Gaukarten von Leonardo da Vinci, a. a. O. 
6 Auf „La carte géométrique du Haut-Dauphiné“ von Bourcet; (1: 86500) levée de 1749 à 1754. 
7 Wie z. B. auf „La Carte des Environs de Versailles (dite des Chasses du Roi), levée et dressée 
de 1764 à 1773 (1: 28800). — Vgl. auch Bonne: Atlas von Frankreich, Paris 1790, der sich durch sorg 
fältige Eintragung der Wälder auszeichnet.
	        
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