Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die Landkarte und ihr Lageplan. 
Wohnplätze noch die alte Aufrißsignatur mit eingezeichnetem Kreis. Mit der Voll 
endung des Kartenwerkes (1793) wurde diese Art Städtebezeichnung zu Grabe ge 
tragen und die geometrische Grundlage der Ortssignatur beherrscht das topographische 
Kartenbild, wie die Kreissignatur die chorographischen Karten, gleichsam als eine 
schwache Erinnerung an den Grundriß. 
Die deutschen amtlichen Kartenwerke in 1:25000, 1:100000 und 1:200000 
bringen als Ortszeichen durchweg den Plan, wenn auch bei den letzten beiden Maß 
stäben stark generalisiert. 1 Dagegen wendet die Übersichtskarte von Mitteleuropa 
in 1 : 300000 in ausgiebiger Weise den Ortskreis für die vielen kleinen Wohnstätten 
an. Die Vogelsche Karte von Deutschland in 1 : 500000 setzt die Grenze bei den 
Ortschaften mit 50000 Einwohnern; Orte darunter erhalten Ringsignatur, Orte 
darüber den stark generalisierten und schematisierten Ortsgrundriß. Auch die 
Handatlanten machen von diesen Ortsplänen „en miniature“ für die Großstädte 
Gebrauch. Daneben bringen sie einzelne Stadtpläne in besondern Kartons. Andrees 
Handatlas legt viel Wert auf die Wiedergabe zahlreicher Stadtpläne 1 2 , desgleichen 
Standford's London atlas of universal geography. 3 Von den Handatlanten sind 
die Pläne in die Schulatlanten eingedrungen. Mancher dieser Pläne erfordert viel 
Arbeit und Geschick. Für die zeichnerische Ermittlung richtiger Umrißlinien von 
Ortschaften, die sich in auf gelockert er Anbauweise gleich Polypenarmen in die um 
gebenden Flächen hinausstrecken, lassen sich keine wissenschaftlichen Grundsätze 
aufstellen; die Überwindung der sich hier darbietenden Schwierigkeiten bleibt lediglich 
dem Takt und dem Können des Kartographen anheimgestellt. 
Ist der Grundriß von Ortschaften auf ältern Karten eine seltene Erscheinung, 
so der Aufriß eine immer häufigere, sei es im Kartenbild selbst oder in bunten Vignetten, 
mit denen die Karte ausgeschmückt wurde. In den halbperspektivischen Abbildungen 
mancher Karten sind Grund- und Aufriß gewissermaßen vereint. Dem Karten 
benutzer von damals war diese Art Ortsbezeichnung verständlicher als die pure Orts 
signatur unserer Tage; die Laien waren noch nicht an das abstrakte Denken unserer 
Zeit gewöhnt. 
Das 16. Jahrhundert, in dem die ersten großen Erdbeschreibungen der neuen 
Zeit geboren wurden, hat uns eine schier unübersehbare Reihe guter Städtebilder 
überliefert. Berühmt sind die zahlreichen Städteansichten mit weiterer Umgebung 
in Sebastian Münsters „Kosmographey“. 4 „Durch ihren äußern Anblick trägt 
eine Stadt zum charakteristischen Aussehen (des Landschaftsbildes) in hohem Maße 
bei.“ 5 Dafür hatten unsere Vorfahren scheinbar ein besseres Empfinden als wir. 
Ph.Apian legte bei seinen Ortsskizzen ein Hauptgewicht auf die Übereinstimmung 
von Natur und Kopie, insonderheit achtete er auf die Bedachung der Kirchtürme, 
1 In ähnlicher Weise verfahren die amtlichen Karten sämtlicher Kulturstaaten. 
2 Besonders sind die Rückseiten der Karten in den ausgezeichneten Neuauflagen von Andrees 
Handatlas, die E. Ambrosius versorgt, mit Stadtplänen geschmückt. 
3 3. Aufl. London 1904. — Im gewissen Sinne gehört auch J. Perthes’ Seeatlas, bearbeitet von 
H. Habenicht, hierher. 
4 Sie war die Frucht einer 18 jährigen Arbeit und ist der erste Versuch einer wissenschaftlichen 
und umfassenden Darstellung des geographischen Wissens ihrer Zeit. 1544 in deutscher Sprache 
erschienen, wurde sie noch in 6 andere Sprachen übersetzt und erlebte bis 1650 46 Ausgaben, 
(s. Anm. 2, S. 42). 
5 K. Hassert: Die Städte geographisch betrachtet. Aus Natur und Geisterwelt. 163. Bdchen. 
Leipzig 1907, S. 93.
	        
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