Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Zeichnung der von Menschenhand ins Antlitz der Erde eingeschriebenen Spuren. 389 
vergangenen Jahrhunderts hatten, die Bezeichnung der Entfernungen, ist leider 
von den topographischen Karten nicht übernommen worden. In andern Karten 
werken, wo wenigstens eine oder mehrere Karten die Wegeentfernung brachten, ist 
diese gute Eigenschaft verloren gegangen. 1 Da der Wert der topographischen Karten 
in Zukunft weniger auf militärischem als auf wirtschaftlichem Gebiet liegen wird, 
ist die Angabe der Entfernungen eine der wichtigsten Verbesserungen, der sie sich 
unterziehen müssen. Je nach dem Maßstab werden durch kleine Striche an den 
Wegbändern Kilometerteile und ganze Kilometer zu verzeichnen sein. 
Ein anderer mißlicher Zustand der topographischen Karten des In- wie Aus 
landes ist, daß sie keinen Aufschluß über das Gefälle oder die Steigung der Kunst 
straßen und Eisenbahnen geben. Hierbei versagt auch die Schichtlinienkarte, nach 
der man wohl die Neigung des Geländes, nicht aber (oder sehr umständlich) die der 
Straße berechnen kann. Sie zu wissen, interessiert nicht bloß das Militär, sondern 
in weit liöherm Maße gegenwärtig den Bauingenieur und Verkehrstechniker. In 
Badfahrer- und Kraftfahrerkarten hat man den Übelstand zu beseitigen versucht; 
doch sind bis jetzt die Versuche einer guten kartographischen Festlegung der Gefä 11s- 
verhältnisse als gescheitert anzusehen. Wie man vielleicht zu einem erträglichen 
Ausweg gelangen kann, habe ich mich in dem später behandelten Sonderteil über 
die Verkehrskarte darzulegen bemüht. 
Am Schluß der Betrachtung der Verkehrswege im Kartenbilde angelangt, will 
ich k urz die drei Punkte zusammen fassen, nach denen die amtlichen topographischen 
Karten bezüglich des Straßennetzes zu verbessern wären: Erstens hätten die nichts 
sagenden Punkte bei den Chausseen — man weiß nicht, sollen sie Bäume oder Chaussee 
steine bedeuten — wegzufallen und durch eine sinngemäße Baumsignatur (Obst-, 
Laub-, Nadelbaum, Hecke) zu ersetzen, zweitens wären die Kilometer und 
Bruchteile davon je nach dem Maßstab durch Striche, wenn möglich auch durch 
Zahlen, zu verzeichnen, und drittens müßten die hauptsächlichsten Gefällsverhältnisse 
der Kunststraßen und gebesserten Wege angegeben werden. 
219. Entwicklung der Brückensignatur. Den Alten war die Brücke wichtiger 
als die Straße, weil diese in gut gebautem Zustande selten vorhanden war. Die 
Phantasie des Volkes hat sich immer mit den großen Brücken beschäftigt. Von 
alters her werden uns zahlreiche, durch kriegerische oder friedliche Ereignisse wichtige 
Brücken genannt. Ich erinnere nur an den „Pons sublicius“ über den Tiber in Born, 
eine uralte Balkenbrücke, die Jahrhunderte hindurch als Schauplatz religiöser Feier 
lichkeiten zur Ehren des gütigen Flußgottes diente, an die Engelsbrücke in Bom, 
die Bialtobrücke in Venedig, die alte Mainbrücke in Frankfurt, die Moldaubrücke 
in Prag, den Pont Neuf in Paris, die London Bridge u. v. a. m. Die Beisekarten 
und Stadtpläne des Mittelalters widmen der Darstellung der Brücken besondere 
Aufmerksamkeit; denn für den Verkehr und Handel war es wichtig, zu wissen, wo 
ein Fluß oder Strom, der den Alten stets ein Verkehrshindernis war, an geeigneter 
Stelle durch Furt oder Brücke überwunden werden konnte. Wenn schon die Straßen 
nicht vollständig oder gut auf dem Kartenbild erscheinen konnten, legte man um 
so größere Sorgfalt auf die Zeichnung der Brücken. Auf dem Itinerar von London 
1 Ein letztes Aufflackern der Wegfernenbezeichnung finden wir in den altern Handatlanten 
Stielers auf der Karte von „Deutschland zur Übersicht der Eisenbahnen und Hauptstraßen“. Die 
zahlen zwischen 2 Orten geben die Entfernung in Postmeilen an.
	        
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