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Die Landkarte und ihr Gelände.
Kolorit ausgestattet ist, hat man in seinen Grundlinien vielfach veröffentlicht. 1 Ein
gleichalteriges Dokument mit derselben Bergzeichnung liegt uns in einem zweiten
Papyrusplan vor, der der Turiner Sammlung angehört. * 1 2 Beide Situationspläne aus
der Zeit des großen Pharao sind aus praktischem Bedürfnis herausgewachsen. Man
dürfte sie bei der Herstellung größerer und umfassenderer Karten, die auf Befehl
Ramses II. entworfen worden sind, verwandt haben. Brugsch zweifelt nicht an
dieser Möglichkeit 3 , obwohl später Ebers dazu neigt, der ägyptischen Kartographie
keine bedeutendere Rolle in der Geschichte der Geographie zuzuschreiben. 4
Um die Aufhellung der Karte haben sich insonderheit A. Er man und H. Schäfer
bemüht. Ihre Erklärungen dürften im großen und ganzen das Richtige treffen. Durch
eine Gebirgsgegend ziehen zwei Längstäler, LT 1 und LT 2 in Bild 2. Das eine ist
mit Gestrüpp und Geröll bedeckt, wie es das Bild andeutet. Das Quertal QT ver
bindet beide Längstäler und sendet in deren Richtung den Paßweg P aus, der wie
auch LT 2 nach der Legende der Karte zum Meere führt. G und G sind Berge, in
denen man Gold findet, in den Bergen W und W wird Gold gewaschen; auf dem
Original erscheinen letztere in roter Farbe, wozu die Legende sagt, daß es der Natur
farbe entspricht. Inmitten der Goldberglandschaft liegt der Teich T, durch Zick
zackwasserlinien angedeutet, gespeist von dem artesischen Brunnen Br., der vom
König Seti I. erbohrt worden ist. Ihm zu Ehren wurde der Denkstein D (auf der
Karte in Frontalansicht gezeichnet) errichtet. Um den Teich herum liegt das dunkel
gemalte Kulturland K. Die eigentliche Verkehrsstraße ist das Tal LT1, das von
Gebüsch und Geröll gesäubert ist. Hier liegen am Fuße des Berges M die Wohnungen
der Arbeiter AW und am Berge T deren Tempel, im Grundriß auf dem im Aufriß
gezeichneten Berg dargestellt; die Türen des Tempels sind als kleine Vierecke aus
geklappt.
Die Karte gibt H. Schäfer Veranlassung, sich über das Entstehen der ältesten
Landkarten zu äußern. 5 Er betrachtet dies von rein künstlerischem Standpunkt aus.
Nach ihm wird die Angleichung an das Nah und Fern im Raume durch die Hand des
Zeichners von selbst herbeigeführt, da zur Darstellung gewisser Figuren sich die Hand
des Zeichners verschieden ausrecken muß, und so durch die Bewegung der Hand
gleichsam die Entfernung nachgeschaffen wird. Schäfer weist hin auf die über
raschende Ähnlichkeit ähnlicher Kartengebilde sowohl bei den Naturvölkern wie
bei den Ägyptern. Es ist damit ein ganz brauchbarer Gedanke zum Ausdruck ge
bracht, indessen lassen sich nicht alle kartographischen Versuche der ältesten Zeit,
II mit T., S. 337ff. — R. Andree: Die Anfänge der Kartographie. Globus XXXI, 1877, S. 38. —
A. Erman: Ägypten und ägyptisches Leben im Altertum. Tübingen 1885, II, S. 619. — G. Maspero:
Histoire ancienne des peuples de l’Orient classique. Paris 1894/00, II, S. 376. — H. Schäfer: Von
ägyptischer Kunst, besonders der Zeichenkunst. I. Leipzig 1919, S. 129. — Eine kurze Besprechung
(ohne Bild) bei A. Wiedemann: Das alte Ägypten. Heidelberg 1920, S. 342, 365.
1 s. Anm. 1 S. 401, auch bei Andree: Ethnograph. Parallelen und Vergleiche, Stuttgart 1878;
ferner bei Eugen Oberhummer: Der Stadtplan, seine Entwicklung und Bedeutung. Verh. des
XVI. Deutschen Geographentages zu Nürnberg 1907, S. 70.
2 Fr. J. Lauth: Die Zweitälteste Landkarte nebst Gräberplänen. Sitz.-B. der Münchener Akad.
d. Wiss. 1871, I mit T., S. 190ff. — W. Spiegelberg: Zwei Beiträge zur Geschichte u. Topographie
der thebanischen Nekropolis, im Neuen Reich S. 7.
3 H. K. Brugsch: Die Geographie des alten Ägyptens. Leipzig 1857, S. 39.
4 G. Ebers: Ägyptische Studien und Verwandtes. Stuttgart u. Leipzig 1900, S. 254ff.
6 H. Schäfer, a. a. O., S. 128.