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Die Landkarte und ihr Gelände.
Mit den Karten des Arabers Edrisi, einer kreisförmigen Weltkarte „Tabula
Rotunda“ aus dem Jahre 1154 und einer in 70 Blättern auf uns gekommenen vier
eckigen Weltkarte „Tabula itineraria Edrisiana“ in dem Asselin-Kodex 1 verlassen
wir das rein arabische Gebiet der Kartographie und begegnen einem Misclitypus,
der sich vorzugsweise in der perspektivischen Ansicht und den gelappten Streifen
der Bergzeichnung mittelalterlicher Mönchskarten wiederspiegelt. Es stimmt, was
0. Peschei über die beiden edrisianischen Karten sagt, sie sind nicht rein arabische
Werke, sondern wie Edrisis Gesamtwissen, eine hybride Mischung aus den Kennt
nissen des Abendlandes und Morgenlandes. * 1 2
III. Das Tasten und Suchen nach einer Geländedarstellung
im Mittelalter.
233. Der Wert (1er mönchischen Kartenbilder. Wie eine Welt für sich, ohne
greifbaren Zusammenhang mit den wissenschaftlichen und künstlerischen Errungen
schaften der ältern Zeit tritt uns das Mittelalter entgegen, beherrscht von einer
starren Mönchstheologie, die jeglichem Leben und Tun Maß und Norm vorschrieb.
Immerhin war innerhalb der gesetzten Normen das Leben mannigfaltig und auch
in seiner Art reich an Anregungen und Streben. Dies zu unterschätzen sind wir
Modernen nur allzu sehr geneigt. Selbst J. Röger, der sich eingehend in die karto
graphischen Erzeugnisse jener Zeit vertieft hat, kommt zu dem harten Urteil, daß
die von der Mönchstheologie angestrebte Entfremdung zwischen Mönch und Natur
die Ursache ist, daß „in den Klosterzellen der Mönche, den einzigen Ursprungs
stätten von Karten jener Zeit, Formen entstehen, die in nichts an das natürliche Bild
der Berge erinnern durften.“ 3 Ich kann diesem Ausspruch nur bedingt beipflichten
und neige mehr der Ansicht Bredts zu, wie sie dieser über die Entstehung der Berg
formen auf Bildern und Karten des Mittelalters niedergelegt hat. 4 Er geht davon
aus, daß die Wiedergabe des Erdbodens wohl die allerschwerste zeichnerische Auf
gabe war, die das Mittelalter zu lösen hatte. „Aber auch dieser Aufgabe wurde es
endlich Herr. Und es ist wirklich erfrischend, wenn wir im Geiste all diesen malenden
und meißelnden und zeichnenden Mönchen und Laien des Mittelalters zuschauen,
wie sie nun immer näher der Kunst kamen, wirklich Land, also Erde und Raum und
Berge darzustellen .... Was lag näher, als daß der, der ein Stück Land darstellen
wollte, die Erde und den Eels ansah und zeichnete ungefähr wie eine Scholle von
Ackerboden. Das sah ja jeder im Frühjahr und Herbst, wie beim Pflügen sich die
Erde umlegte zu Schollen und Würfeln. So kam man zu einem Symbol für Erde und
Land, das gar vielsagend war und allen verständlich. Und wie zweckmäßig war es
für diese Kartenvergleiche ist Theobald Fischers „Raccolta di mappemondi e carte nautiche del
XIII al XVI secolo“ (10 Kartenwerke in 79 Blättern). Venedig 1881.— Auch Nordenskiölds Periplus
bietet Einiges.
1 N. Bi. Paris. Vgl. auch die leidliche Abbildung bei Lelewel, a. a. O., T. 11, 12.
2 Peschel-Ruge, a. a. O., S. 145.
3 J. Röger, a. a. O., S. 79.
4 E. W. Bredt: Deutsche Lande, deutsche Maler. Leipzig 1909, S. 22. — Vgl. von dems. Verf.
Wie die Künstler die Alpen dargestellt. Z. d. D. u. Ö. A.-V. 1906; ferner: Die Alpen und ihre Maler.
Leipzig 1910.