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Die Kartographie als Wissenschaft.
gorii in seinen „Curieusen Gedancken“ 1 und besonders E. D. Hauber in seinem „Ver
such einer umständlichen Historie der Land-Charten“, Ulm 1724. Seine Darlegung
über die Fehler und mannigfaltigen Gebrechen der Landkarten sind wert, wörtlich
hier festgehalten zu werden (Anm. S. 50—56):
„Ich mag nichtwohl anfangen, diese zu erzehlen, weilen ich nicht leicht wiederum
ein Ende daran finden würde. Ich will aber meine Meynung mit denen Worten deß
jüngern Herrn Sturms in seinem teutschen Compendio Matheseos P. III. § XI. n. 12.
p. 220. außdrucken; welcher darvon also sagt: ,Es wäre kein Wunder, wann bey denen
Particular-Charten die Geographie eben so in Verachtung gekommen wäre, wie das
Calendermachen durch die Astrologie, indeme jetzo selten die Mathematici mit Charten-
Zeichnen zu thun haben, sondern einige eigennützige Kupffer-Händler sich in dieses
Handwerck so eingemenget, daß sie selbst durch allerhand liederliche Handgriffe die
Charten zusammen stümpern, und auß denen von anderen gemachten Charten zusammen
rauben. 1 Ausser denen außgelassenen, falschgenennten, unrecht gesetzten Orten, Flüssen,
Bergen, etr. Ausser diesem, daß in denen mehrsten Charten die Gradus Longitudinis
gesetzet werden, ohne zu melden, von welchem Meridiano Primo sie gezehlet seyen:
daß die Gradus der Polus-Höhe ohne darvon gemachte Observationen determiniret
werden: daß Meilen-Stäbe, besonders von gemeinen Teutschen Meilen, hingesetzet
werden, ohne zu wissen, wie groß solche Meilen, in bekannten Massen, Schritten, Schuhen
oder Ruthen seyen? u. v. a. m. Ausser diesem allem, sage ich, ist es ein Haupt-Fehler
der Land-Charten, daß sie zu unseren Zeiten wenigstentheils von Gelehrten und der
Sache Erfahrenen, sondern mehrstentheils von Kupfferstechern verfertiget werden,
deren nur immerdar einer den andern abcopiret, und je länger je mehrere Fehler hinein
machet, und doch darauf setzen darff: Tabula nova, novissima, exactissima, recens
curata, etr. Ferner gehöret unter die Fehler der Land-Charten, daß auf denenselben
nicht gemeldet wird, aus was vor Gründen und Nachrichten, nach welcher Methode, etr.
eine Charte seye gezeichnet worden, etr. Es handelt sich auch von denen Fehlern und
Mängel der Land-Charten umständlich die Essai sur TEtat present de la Geographie
in Journal des S^avans A. 1721. Octobre, Art. 3. Billich aber muß ich auch hier unter
die Mängel so wohl derer Land-Charten, als der Geographischen Compendien zehlen,
daß dieselbe keine Nachricht von der Orthographie geben, oder wie die Namen derer
Orte müssen gelesen und außgesprochen werden. Dann solle man die Leute nicht
billich die Namen der Orte nicht nur ansehen, sondern auch außsprechen lernen, und
zwar also, wie sie eigentlich lauten, und in dem Lande außgesprochen werden, darinnen
sie gelegen seynd, und man jemand, der in solches Land kommen möchte, auch ver
stehen könnte? —
Überhaupt kan keine Charte accurat seyn, wann sie nicht auß genugsamen Nach
richten, und geometrisch- oder trigonometrischen Gründen, in dem Lande selbst ver
fertiget werden. Diejenige aber, welche vom Land-Charten-Machen Profession machen,
und ein Handwerck damit treiben, werden von dieser Geographischen Charletanerie
und Macchiavellisterey niemalen abstehen, es wäre dann, daß sie durch deßwegen ge
1 Curieuse Gedancken von den vornehmsten und accuratesten Alt- und Neuen Laud-Charten
nach ihrem ersten Ursprünge, Erfindung, Auctoribus und Sculptoribus, Gebrauch und Nutzen ent-
worffen, auch Denen Liebhabern der Zeitungen zum Vergnügen, aus der Geographie, Historie, Chrono
logie, Politica und Jure Publico erläutert. Und nebst kurtzen Lebens-Beschreibungen der berühm
testen Geographorum ausgefertigt durch Johann Gottfried Gregorii von Toba aus Thüringen.
Franckfurt und Leipzig, Zu finden bey Hieronymo Phiiippo Ritscheln, Buchhändlern, Anno 1713.