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Die Landkarte und ihr Gelände.
Gewiß hat derjenige, der die Karte entwarf und zeichnete, nur die Bandform für die
Gebirge gewählt, die der Kartenstecher in Bergformen umwandelte. Eine bewußte
Zeichnung der Gebirge im Grundriß kann man das nicht nennen, es ist nur mehr eine
Verlegenheitsbildung, eine schnell hingeworfene Manuskriptmanier, die außerdem, um
die Gebirgsstränge anschaulich und kenntlich zu machen, die Bänder oder Streifen
mit Farben oder mit Punkten, Schraffen, dicken und dünnen Strichen ausfüllte. Die
Gebirgsnamen wurden in das Band oder an das Band geschrieben.
In den gedruckten Ausgaben erscheinen die Bänder farblos. Die Farbe blieb
den Gebirgsbändern der Manuskriptkarten Vorbehalten. Nachweisbar ist sie zum
ersten Male als schmutziges Grün auf einem der ältesten bisher bekannten Ptole-
mäuskodices aus dem Kloster Vatopedi auf dem Athos, um 1200 1 ; damit sind die
Züge der Pyrenäen und Cevennen, des Kaukasus und Ararat unverkennbar hervor
gehoben. 1 2 Auch späterhin begegnen uns ähnliche Gebirgsbänder in Grün und Braun. 3
Auf der Handschriftkarte des Christ. Ensenius (Buondelmonte) in der Laurenziana-
bibliothek zu Florenz kann ich nicht wie Röger 4 eine Zeichnung des Gebirgsgerippes
in Muschelform erkennen, ich sehe darin nichts mehr und nichts weniger als ein bloßes
„Hinmuscheln“ zur Ausfüllung des Bandes. 5
Nur selten erscheinen die gedruckten Bänder ohne jegliche Einzeichnung, wie
auf der Weltkarte des Gregorius Reisch, Freiburg 1503. 6 Dicke Striche durchziehen
die Gebirgsbänder auf einer handschriftlichen Karte „Tabula regionum septentrio
nalium“ einer Ptolemäusausgabe aus dem 15. Jahrhundert (etwa 1467) in der Zamoisky-
Bibliothek zu Warschau. 7 In ähnlicher Weise finden wir die Gebirgszeichnung auf der
ersten deutschen Ausgabe des Ptolemäus, zu Ulm 1482 gedruckt; nur daß die dicken
Striche noch von feinen Linien spitzwinklig getroffen und teilweise geschnitten werden.
Mit Punkten ausgefüllt treten uns die Gebirgsbänder auf dem Globus von Schöner
1515 entgegen. 8 9 Eine weitere Abwechslung erhielten die Streifen dadurch, daß ihre
Randlinien fein gezackt und der Zwischenraum eine Art Schattenschraffur erhielt,
so daß die Gebirge knorrigen Eichenästen ähneln, wie z. B. in der Introductio in
Ptolemei cosmographiam von Joannes de Stobnicza, Krakau 1512.° Wiederholt
wurde diese Gebirgszeichnung neben der bei weitem häufiger angewandten Zucker
hut- und Maulwurfshügelmanier in den Straßburger Ptolemäusausgaben von 1513,
1520 und 1522; aber auch später finden wir sie auf den Ptolemäuskarten von Europa,
Asien und Afrika, Leiden 1535. 10 11 Kleinere Gebirgsstücke erinnern an die Weckform,
wie auf einer Straßburger Ptolemäuskarte. 11
1 V. Langlois hat Handschrift und Karten in Faksimile hg. unter „Géographie de Ptolémée“.
Paris 1867.
2 Die betreffenden Gebirge hat E. Oberhummer nach Ausschnitten der Athos-Handschrift
des Ptolemäus in Z. d. D. u. Ö. A.-V. 1901, S. 22 und 23 wiedergegeben.
3 Les Monuments de la Géographie des Bibliothèques de Belgique. Carte de l’Europe 1480 bis
1485. Karte in 8 Blättern. Text von Ch. Ruelens. Brüssel 1888 (?).
4 J. Röger: Die Bergzeichnung auf den ältem Karten. München 1910, S. 65.
5 Vgl. Nordenskiölds Periplus, T. XXXII.
6 Vgl. Nordenskiölds Facsimile-Atlas, T. XXXI.
7 Vgl. Nordenskiölds Facsimile-Atlas, T. XXX.
8 Vgl. Nordenskiölds Facsimile-Atlas, S. 78 u. 79.
9 Vgl. Nordenskiölds Facsimile-Atlas, T. XXXIV.
10 In der kgl. Hofbibi, zu Dresden.
11 Generale Ptolemei, Generale der Erdkreis der Alten. Gezeichnet von M. Waldseemüller,
s. a. et 1. Jedenfalls Straßburg 1513. [k. Bi. Dresden.]