Begriffliche Scheidung des Geländes.
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Die Bergformen einzeln zu zeichnen war langwierig und langweilig; aber auch
das einfache Band mit Strichen und Schraffen wurde nicht anschaulich genug emp
funden, es mußte, da es nicht bunt gedruckt werden konnte, im Druck deutlicher
hervortreten. Der Gedanke lag nicht fern, gleich der Schollenzeichnung mancher
mittelalterlichen Karten die Gebirgsbänder mit doppeltem Band zu versehen und
diesen je nach der Lage der Lichtquelle mit Schattenschraffen zu schmücken. Das
war für den Stecher und Drucker ein ebenso einfaches wie bequemes Hilfsmittel, die
Gebirgsmassen zu veranschaulichen. So geschah es auf der 1478 und 1481 in Florenz
bei Francesco Berlinghieri gedruckten „Geographia“ des Ptolemäus. 1 Hauslab 1 2 ,
Hammer 3 und nach ihm Röger erblicken darin den ersten Versuch, die Berge im
Grundriß und zugleich plastisch erscheinen zu lassen 4 ; ich sehe darin kein be
wußtes oder ausgesprochenes Moment kartographischer Darstellung, sondern nur
ein Surrogat für die umständlichere Gebirgsdarstellung im Aufriß.
Aus den mittelalterlichen Karten hat sich merkwürdigerweise die modellierte
Schollenform in dem Cantahrischen Gebirge auf die Karte von Spanien der römischen
Ptolemäusausgabe von 1490 hinübergerettet. 5 Ich vermute, daß dies mehr aus Ver
sehen geschehen ist. Der Karten- bzw. Terrainstecher fing bei diesem Blatt links
oben an; kaum hatte er das Gebirge fertig, wurde ihm bedeutet, daß die Gebirge in
perspektivischen Bergformen zu bearbeiten sind. Nun war das Cantabrische Ge
birge bereits fertig, es konnte von der Platte ohne Schaden des Ganzen nicht mehr
entfernt werden und so verblieb die mittelalterliche Gebirgsdarstellung als Unikum, das
ganz aus dem Rahmen der übrigen Gebirgszeichnung der Ptolemäuskarten herausfällt.
Nochmals sei betont, daß die sogenannten grundrißartigen Gebirgsdarstellungen
der Ptolemäuskarten, und hier nur bei Übersichtskarten, ganz vereinzelt auftreten.
Sie sind auf die übrige Kartographie ihrer und der folgenden Zeit nicht von Einfluß
gewesen, da man das wenig Gesetzmäßige und wenig Überzeugende dieser Darstellung
erkannte und in ihnen wohl nur den kümmerlichen Rest der mittelalterlichen Karto
graphie sah. Mit dem Aussterben der Ptolemäuskarten verschwinden auch sie, was
um 1600 herum geschah, wo sie durch neue große Atlanten ersetzt werden, von
Mercator, Ortelius, Hondius, Janson, Blaeu u. a. Erst mit der Schraffe, die bereits
als Schattenstrich den aufrißartigen Darstellungen Plastik und Leben verlieh, war
die Möglichkeit geschaffen, die Berge im Grundriß wiederzugeben. Wie dieser große
Schritt der darstellenden Kartographie vor sich ging, und wie die einzelnen Berg
formen an Bedeutung und Naturtreue gewinnen, damit beschäftigen sich die nach
folgenden Untersuchungen, die zeitlich in der Hauptsache dem soeben behandelten
Abschnitt einzugliedern wären.
II. Begriffliche Scheidung des Geländes.
239. Karten mit planloser Anhäufung (1er Gebirge. Die meisten Geländedar
stellungen, die vor unserm Auge vorüberzogen, machen auf den ersten Anblick den
Eindruck, als handle sichs um eine wirre Anhäufung perspektivisch gezeichneter
1 Die „Geographia“ von Fr. Berlinghieri datiert die k. Bi. Dresden auf 1481, Nordenskiöld im
Facsimile-Atlas, S. 13 auf 1478. Vgl. hierselbst die Karten Berlinghieris, S. 13 u. T. XXVIII.
2 Mitgeteilt bei K. Peucker: Höhenschichtenkarten. Z. f. Verm. 1911, S. 19, Arun. 2.
3 E. Hammer im G. J. XVII, 1894, S. 49.
4 J. Röger, a. a. O., S. 71, 72. 5 Vgl. Nordenskiölds Facsimile-Atlas, T. III.
Eckert, Karten Wissenschaft. I. 27