Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Landkarte und ihr Gelände. 
wunden und mit der Herausgabe selbständiger Karten, wie der Europae descriptio. 
Duisburg 1554, oder der Nova et aucta orbis terrae descriptio ad usum navigantium 
emendate accommodata, Duisburg 1569, eine neue Epoche der Geographie, das Zeit 
alter der wissenschaftlichen Geographie, heraufgeführt hatte. Die Karten 
des 17. Jahrhunderts verbessern zusehends die Lage der Gebirge, bis das 18. Jahr 
hundert durch bessere Ausbildung der Meßmethoden und umfangreichere Messungen 
die Mittel bietet, neben der richtigen Achsenerstreckung der Gebirge der Ausdehnung 
des Areals, das sie bedecken, gerecht zu werden. 
241. Qualitative Merkmale der Gebirgsdarstellung. Beizeiten setzt die Mar 
kierung qualitativer Merkmale bei den Gebirgsdarstellungen ein, zunächst in rein 
kulturgeschichtlichem Sinne. Die theologisch-kosmologischen Wahnvorstellungen 
waren es, die Einzelbergen eine außergewöhnliche Bedeutung beimaßen, was auf der 
Karte nicht minder zum Ausdruck kommen mußte. Auf der Peutinger Tafel ist der 
Ölberg, Mons oliveti, durch Zinnoberrot kräftig hervorgehoben; kein anderer Berg 
der Tafel erfreut sich gleicher Auszeichnung. Die Wahrnehmung bestärkte Elter in 
der Ansicht, daß es sich bei der Peutinger Tafel um eine Beisekarte für Jerusalem- 
und Bompilger des 13. Jahrhunderts handle, die jedoch auf einem römischen Original 
des 4. Jahrhunderts fuße. 1 Auf der Beatuskarte von St. Sever aus dem 11. Jahr 
hundert wird eine ziemlich gleich hoch verlaufende Bergkette von dem Zacken des 
Sinai überragt, ln der Weltkarte der Turiner Handschrift aus dem 12. Jahrhundert 
erscheint der Sinai inmitten des Bildes. 1 2 Die Ebstorfer Weltkarte schmückt den 
selben Berg bei besonderer Größe innerhalb der Bergfläche. Auf der Portulankarte 
des Conte Freducci ist der Sinai als einziger Berg auf der ganzen Karte durch be 
sondere Größe und Detaillierung hervorgehoben worden. 3 Andere Berge, die gleich 
falls die Phantasie des Volkes beschäftigten, erfuhren eine ähnliche Behandlung wie 
die heiligen Berge. Die Säulen des Herkules und der Atlas sind die einzigen und zwar 
zuckerhutförmigen Bezeichnungen auf der Weltkarte des Honorius von Autun aus dem 
12. Jahrhundert. 4 
Das Mißverhältnis in den Größen der Berge erklärt sich nicht allein auf Grund 
der mittelalterlichen religiösen Anschauungen, sondern auch daher, daß nur das 
Einzelne gesehen wurde und entsprechend dem Interesse, das es erwecken sollte, 
dargestellt wurde. 5 Somit wurden die Einzelberge zugunsten anderer hervorgehoben, 
in der Hauptsache nach dem ideellen Ort, den ihnen die Kartenzeichner beilegten. 
Wichtiger als diese qualitative Wertschätzung rein kulturhistorischer Art ist für uns 
die qualitative Differenzierung der Gebirge, die von wirklicher Naturbeobachtung 
zeugt. Sie konnte sich erst entwickeln, nachdem man sich nicht mehr mit dem ein 
zelnen Berg an sich beschäftigte, sondern mit den Bergen in ihrer Gesamtheit. Die 
Gesamterscheinung des Terrains wurde für die Darstellung maßgebend. Während 
der Züricher Stadtarzt Conradi Türst (Tyrst) auf der zwischen 1495 und 1497 ent 
worfenen Landtafel der Schweiz, die seiner Schrift De situ confoederatorum de 
scriptio beilag, zwischen runden und spitzen Bergformen (Vertikalschnitten) zur 
1 Elter: ltinerarstudien. Bonn 1908, S. 11. 
2 Lelewel: Atlas. Brüssel 1850, T. 9. 
3 Vgl. Nordenskiölds Periplus, T. XXII. 
4 ln der kgl. Bibliothek zu Turin; s. Abb. bei Santarem, Atlas I, T. 14 und bei Lelewel, Atlas, T. S. 
5 E. W. Bredt: Wie die Künstler die Alpen dargestellt. Z. d. D. u. Ö. A.-V. 1906, 8. 61.
	        
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