Begriffliche Scheidung des Geländes.
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Kennzeichnung der niedern und höhern Berge hin- und herschwankte 1 , versucht der
bayrische Geschichtsschreiber Johannes Turmair, nach seinem Geburtsort Abens
berg Aventinus genannt 1 2 , auf seiner Karte des Herzogtums Bayern aus dem
Jahre 1523 die Berge naturalistischer auszudrücken, indem er die sanften Formen
des Bayrischen Waldes und des Jura den schroffen Gebilden der Kalkalpen gegen
überstellt; die Wandbrüche und Steilgehänge des Karwendels und Wettersteins
treten deutlich hervor. Daneben wird die Gestalt verschiedener Kammauern und
Einzelberge kärglich und zweideutig nach Art des Landschaftzeichners angedeutet.
War das Gebiet nicht allzu groß, das der Kartenzeichner und -maler darstellen
wollte, dann war schon eher die Möglichkeit gegeben, dem qualitativen Element der
Geländeformen Rechnung zu tragen. So finden wir denn einige recht beachtenswerte
Leistungen aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts der aristokratisch regierten Städte
republik Nürnberg. Auf den Nürnberger Waldkarten, wie der Wiltcarte vom
Jahre 1516 3 , sowie auf andern dieser Zeit angehörigen Karten, z. B. auf der Imago
situs civitatis Botenburgensis Tuberinae cum territorio eidem suhjecto, 1535 4 , er
freut uns das halbperspektivische, malerisch und gut aufgefaßte Landschaftsbild,
das uns jene Gegenden leibhaftig vor Augen führt. Daß das Botenburger Karten
gemälde durch die Einzeichnung von Szenen aus dem ehemaligen Volksleben zugleich
den Charakter eines kulturhistorischen Gemäldezyklus annimmt, mag nebenbei be
merkt sein.
Sind die Anfänge einer individuellen Bergformdarstellung recht kümmerlich,
geben sie doch ein erfreuliches Zeugnis davon, daß man für die orographische Aus
stattung der Erdrinde mehr und mehr Sinn bekam.
Was bisher nur halb bewußt, gleichsam im Dämmerzustand geschah, ohne sich
Bechenschaft über die Einzelformen wie deren Gesamtheit zu geben, wird mit einem
Male licht und klar in der Bergdarstellung bei Philipp Apian. Auf der Karte von
Bayern, auf der großen Ausgabe (1563 in ca. 1 : 45000) sowohl wie auf der kleinern
(1568 in ca. 1 : 135000) 5 hat Apian außer einem guten Formenbild ein naturwahres
Bild der meisten und wichtigsten Berge und Gebirge geschaffen. Mit wenigen Strichen,
die nicht bloß die Konturen der Berge wiederholen, sondern auch orographisch be
dingte Linien im Berggelände hervorholen, weiß er die Berge zu kennzeichnen und
ihnen mit einigen Schattentönen ein naturalistisches Gepräge zu geben, wie es die
1 Brauchbare Ausschnitte dieser Karte wie auch der nächsten Karten, die oben weiterhin er
wähnt sind, enthalten Eug. Oberhummers Abhandlungen in der Z. d. D. u. Ö. A.-V. über die „Ent
stehung der Alpenkarten“ (1901), „die ältesten Karten der Ostalpen“ (1907) und „die ältesten Karten
der Westalpen“ (1909). Oberhummers Arbeiten sind außerdem reich an brauchbaren Quellen
nachweisen.
2 E. Oberhummer: Bemerkungen zu Aventins Karte von Bayern. Sitz.-B. philos.-philol.
u. hist. Kl. k. Bayr. Akad. d. Wiss. 1899, II. 3. — Aventins Karte von Bayern MDXXIII. Im Aufträge
der Geogr. Ges. in München zur Feier ihres 30jährigen Bestehens herausgegeben und erläutert von
J. Hartmann. Mit einem Vorwort von E. Oberhummer. München 1899.
3 Wiltcarte Nr. 2 v. Jahre 1516, transumpta im Jenner 1519 oder „Abriß über das Ampt
Lauff, Altdorf, Reicheneck und Haimburg die Wild bahn betreffend“. Aquarellzeichnung auf Perga
ment. 84x94 cm. [German. Mus.]
4 W. Z. Imago situs civitatis Rotenburgensis Tuberinae cum territorio eidem subjecto. 1537.
Aquarellzeichnung mit teilweiser Ölmalerei auf Leinwand. 161 x 161 cm. [German. Mus.]
5 Die Originalholzstöcke der „Bayrischen Landtafeln“, wie die Karte von Phil. Apian auch
genannt wird, befinden sich im Bayrischen Nationalmuseum zu München. Wieder gedruckt sind die
24 Landtafeln in Augsburg 1886. Verlag des literarisch. Instituts von M. Huttier.