428
Die Landkarte und ihr Gelände.
Bei eingehender Betrachtung beider Landtafeln finde ich, daß das Terrain auf
beiden bis jetzt kaum richtig beurteilt worden ist. 1 Meiner Meinung nach zeigen sie
weder Vogelperspektive noch Grundrißdarstellung, sondern beide Karten sind ein
heitlich nach halbperspektivischem Prinzip durchgearbeitet; denn bei der Grundriß
darstellung müssen die Schraffen von der Talsohle aus mehr senkrecht und nicht
schräg nach der Höhe streben. Insbesondere zeigen die Köpfe der Hügelzüge auf
fallend die halbperspektivische Behandlung. Ich glaube auch nicht, daß Bauch die
Karten selbst nach seinen Originalgemälden gestochen hat, wozu er bei seinen an
strengenden Vermessungsarbeiten im Gelände kaum Zeit hatte; wohl aber wurden
sie unter steter Aufsicht seinerseits in Kupfer gearbeitet. Wer die Stecher sind,
wissen wir nicht, die Karte von Wangen hat sichtlich einen andern Stecher wie die
von Lindau gehabt. Der Kupferstecher dieser Karte verfügte über eine feinere Technik
als der andere, die sich im Terrain sowohl wie im Baumschlag und Schriftduktus bekundet.
Die Schraffierung beider Karten hat die Gelehrten schon verschiedentlich inter
essiert, und man ist erstaunt, wie damals eine derartig schöne Schraffenkarte ge
schaffen werden konnte. Deshalb ist Bauch von Hammer als ein „Großmeister der
topographischen Geländezeichnung“ bezeichnet worden. 1 2 Gut, wollen wir es dabei
bewenden lassen; wenn aber gesagt wird, daß die Darstellung der Bodenformen im
17. Jahrhundert, ja bis Ende des 18. Jahrhunderts nicht übertroffen worden ist, so
ist damit zuviel behauptet. Für die schwäbische Kartographie mag es stimmen,
nicht aber für die außerschwäbische. Denn gegenüber den Karten von Bourcet
(Carte géométrique du Haut-Dauphiné), von La Haye (Carte des environs de Bam-
bouillet et Saint-Hubert), von Berthier (Carte des environs de Versailles) u. a. aus
dem 18. Jahrhundert verblassen die Karten von Bauch vollständig. Das soll aber
nicht seinen Buhm schmälern; offenbar hat er mit außerordentlich großem Talent
das Gelände von Wangen und Lindau selbst aufgenommen und alsdann in Farbe ver
anschaulicht. Die Schraffe war ihm weiter nichts als ein Ubersetzungsmittel der
Farbe in den Schwarzdruck des Kupferstiches, sie hatte den malerischen Effekt, den
das Terrain im Original zeigte, wiederzugeben. Mithin hat die Schraffe bei Bauch
nichts Ursprüngliches und Bewußtes, sondern war mehr ein Notbehelf, allerdings
künstlerisch und kartographisch mit Verständnis angewandt. Beide Karten Bauchs
stehen für sich als Unika da, die, was sehr bedauerlich ist, auf die Kartographie
ihrer Zeit keinen Einfluß gehabt haben, trotzdem sie in verschiedenen Exemplaren
verbreitet gewesen zu sein scheinen.
Das andere berühmte Kartenwerk mit Halbperspektive ist von Conrad Gyger,
einem Zeitgenossen Bauchs. Gygers Landschaftstafel von Zürich vom Jahre 1620
kommt für uns weniger in Betracht als sein Meisterwerk Karte des Kantons Zürich
1664 bzw. 1667, an der er 88 Jahre gearbeitet haben soll. 3 Man lobt an der Karte
1 Vgl. J. Roger: Die Geländedarstellung auf Karten. München 1908, S. 21.
2 E. Hammer in G. J. XVII. Gotha 1894, S. 58.
3 Dieses offenbar schönste Werk der altern schweizerischen Kartographie trägt den Titel:
„Einer Lobl. Statt Zürich eigenthümlich zugehörige Graff- und Herrschaften, Stett, Land und Gebiett,
Sampt demselben anstossenden benachbarten Landen und gemeinen Landvogteien. Mit Bergen und
Talen, Hölzer und Wälden, Wasser, Strassen und Landmarchen. Alles nach geometrischer Anleitung
abgetragen, auf diese Plan gebracht und vollendet A. Ch. 1667 zu Nutz und Ehren diesem seinem
lieben Vaterland durch unterschriebenen Hans Conrad Geyger, Burger und Ambtmann im Kappeler-
hof Lobl. Statt Zürich.“ — Vgl. K. C. Amrein: Die Kartographie der Schweiz auf der Landesausstel
lung in Zürich. P. M. 1883, S. 362.