Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Das Morgendämmern neuer Geländedarstellungen. 
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Gygers dieselbe Genauigkeit der Grenzen, der Flußläufe und Distanzen wie an den 
Karten von Pfinzing und von Rauch. Bei Gyger haben wir es jedoch nicht mit einer 
Schraffenzeichnung, sondern mit einer Terraindarstellung in Tuschmanier bei südlich 
einfallendem Licht zu tun. Daß man auf der Karte die Berge nach ihrer Individualität 
gut erkennt, habe ich bereits hervorgehoben. 1 Das Geländebild Gygers ist künst 
lerisch vollendet und vereinigt Schönheit mit mathematischer Genauigkeit, soweit 
es die Hilfsmittel jener Zeit gestatteten. Daß dann und wann Kartenbilder an Halb 
perspektive erinnern, wo mehr die Phantasie als die Autopsie den Griffel geführt, ist 
für jene Zeiten, am Ausgang des 17. Jahrhunderts, keine seltene Erscheinung. 1 2 
245. Offizielle Karten in Ilalbperspektive und deren Verklingen. Die ersten 
großem öffentlichen Karten mit ausgesprochener Kavalierperspektive verweisen uns 
nach Österreich und Frankreich. Dort waren italienische und französische 
Offiziere (Nicolotti, Emanueli, Audibert) vom Prinz Eugen ins Heer übernommen 
worden, die — in den beiden ersten Dezennien des 18. Jahrhunderts — ihren Karten 
eine ausgezeichnete halbperspektKische Terraindarstellung gaben. 3 Ein wenig später 
setzen die französischen Karten ein , zunächst La carte générale des Monts Pyrénées 
von Bous sei aus dem Jahre 1780, deren Aufnahme 1718 von Koussel und La Blot- 
tière in Angriff genommen wurde. Als topographische Aufnahme, die sie sein wollte, 
hat sie wenig Wert. Auch von der Gebirgsdarstellung hält Berthaut nicht viel. 4 In 
dieser Bichtung brachte einen bedeutenden Fortschritt La carte géométrique du 
Haut-Dauphiné von Bourcet, die 1749—1754 aufgenommen und in demselben 
Maßstabe wie die Karte von Cassini in 1 : 86400 (1 Linie für 1-00 Toisen) 1758 ver 
öffentlicht wurde. Die Kavalierperspektive existiert noch immer, aber gemildert, 
weniger schräg als auf der Karte von Koussel; die Berge selbst werden durch lange 
Schraffen auf der Schatten- und kurze auf der Lichtseite, die alle im Sinne des größten 
Gefälles verlaufen, herausgearbeitet. Die Einzelbergform ist bei Bourcet verschwunden 
und macht einer kontinuierlichen, harmonisch wirkenden Gebirgsdarstellung Platz. 
Bei ihrem Anblick spricht E. v. Sydow von einem „originellen Kabinetts- und 
Meisterstück für die Darstellung des Hochgebirges. Die halb perspektivisch auf 
gefaßte Terrainzeichnung weiß noch nichts von dem Zwange Lehmannscher Manier, 
aber sie versteht es, mit Kraft und Kühnheit die hohen Felsmauern aus der ebenen 
Papierfläche herauszutreiben, mit Klarheit und Bestimmtheit die Täler bis in die 
finstersten Schluchten offen zu legen und hei brillant herausgearbeiteter Plastik des 
Bildes der detaillierten Situation und Schrift überall Schärfe und Deutlichkeit zu 
verstatten“. 5 
1 s. S. 422 u. Anm. 4 auf ders. S. 
2 Hierher gehört z. B. die Karte von Japan u. Korea des Kosmographen von Venedig, Coro- 
nelli, worauf die Berge in landschaftlicher Perspektive angegeben sind. Karte ist ca. 1690 in Venedig 
erschienen. 
3 K. v. Haradauer: Entwicklung der Kartographie von Österreich-Ungarn mit besonderer 
Berücksichtigung offizieller Kartenwerke. Verh. des IX. Deutsch. Geographentages. Wien 1891, 
S. 269, 275. 
4 „Jetées sans ensemble et sans enchaînement, absolument fausses et idéales, qui ne rendent 
pas l’aspect du terrain.“ Berthaut: La Carte de France. Paris 1898, I. S. 3. 
5 E. v. Sydow: Der kartographische Standpunkt Europas am Schlüsse des Jahres 1858. 
P. M. 1859, S. 229.
	        
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