Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Landkarte und ihr Gelände. 
Geländedarstellung beeinflußt. Wenn sie von ihr nicht in Fesseln geschlagen worden 
wäre, würde vielleicht das Hügel- und Mittelgebirgsland, das einen sehr manierierten 
Eindruck macht, besser verbildlicht worden sein. Einen Vorzug hatte die Darstellung 
der unnatürlichen Breite der Talsohlen, daß die Situation klar bis ins engste Hoch 
gebirgstal hineingezeichnet werden konnte und Raum für mancherlei Eintragungen 
verblieb. 1 Die Talschraffe wurde in ähnlicher Weise wie in Frankreich auch in Eng 
land angewandt. 1 2 
247. Die Geländeschraffe. Die erste Schraffenkarte. Da die Talschraffe ihr ur 
sprüngliches Wesen als Flußuferschraffe eingebüßt hatte, ergab sich mählich von 
selbst, sie als Geländeschraffe und -ausfüllsel zwischen den Flüssen zu benutzen. 
Eine, zwei und mehr Schraffenreihen wurden hintereinander gelagert. Die 
Schraffenkarte war geboren. Noch kannte man kaum die schräge Beleuchtung 
der Talschraffen, und so ergab es sich wie von selbst, daß die ersten Schraffenkarten, 
die diesen Namen verdienen, mit wenigen Ausnahmen in senkrechter Beleuchtung, 
besser gesagt: in gar keiner Beleuchtung oder mit ganz schwach angedeuteter links 
seitiger Beleuchtung gezeichnet sind. Die Schraffen wurden reihenweise sauber 
hintereinander gelegt, wie auf der Carte des Royaumes de Portugal et d’Algarve 
(1770) von G. A. Rizzi-Zannoni. 3 Das Vollkommenste hat er jedoch in der links 
seitig beleuchteten Schwungschraffe geleistet, wie es die Carta del littorale di Napoli 
(Neapel 1794) bezeugt, die den Vesuv und die Kraterwand des Mte. di Somma so 
wirkungsvoll plastisch herausgearbeitet hat, wie es modernen Karten kaum gelingt. 
Die Talschraffe, wie sie Rizzi-Zannoni anwandte, geht jedoch weiter zurück, 
wenn sie auch nur vereinzelt gebraucht wurde, wie auf einer Karte vom Jahre 1730, 
wo die Schraffen ganz gut schon der Richtung des stärksten Gefälles folgen. 4 Die 
primitivste Form der Talschraffe lediglich in wagerechter Lage verwandt, findet sich 
auf einer Karte von P. Coronelli aus dem 17. Jahrhundert. 5 
Das 18. Jahrhundert ist reich an Beispielen der Art, wie Rizzi-Zannoni das 
Gelände zeichnete, wenn auch größtenteils dessen zarte Ausführung nicht gelang. 
Die Schraffe war ausdruckslos, sie wirkte nur durch ihre Anhäufung und Anordnung. 
Daß man ihr trotzdem Nachdruck zu verleihen wußte, um eine Plastik der Gelände 
formen zu erzielen, beweist die Schraffenkarte Provinzia Briscoia, die bei Ho- 
inann in Nürnberg 1718 herauskam. Aus der Gradeinteilung der Karte hat J. Werner 
einen Maßstab 1 : 244000 berechnet 6 ; der ist offenbar zu klein, die Karte hat einen 
mittlern Maßstab von etwa 1 : 200000. Die Karte galt lange Zeit als die älteste 
1 Man vgl. nur die unnatürlichen Talformen, die Talbecken und -tröge in dem Pelvouxmassiv- 
ausschnitt der Karte in Berthauts historischer Untersuchung über „La Carte de France 1750—1898“. 
Paris 1898. 1. 
2 Vgl. Smith’s New Map of the Inland Navigation of England and Wales. London, 30. Nov. 
1801. [Br. M. London.] 
3 Ich fand diese Karte in der Société Géographique in Paris als Nr. 14 in einem Atlas moderne 
ou collection de cartes sur toutes les parties du globe terrestre par plusieurs auteurs. Paris 1760—1772 ( ?). 
Autoren sind: Bonne, Denis, Janvier, Rizzi-Zannoni. 
4 Carte particulière du projet du canal de jonction des rivières de Somme et d’Oise. Nov. 1730. 
Gravée par F. Baillieul. [Br. M. London.] 
5 Corso geografico del P. Coronelli. Venedig 1893. [Br. M. London.] In diesem Kartenwerke 
kommt besonders in Betracht die Karte „Parte occidentale delli Contorni di Parigi“. 
6 Johannes Werner: Die Entwicklung der Kartographie Südbadens im 16. u. 17. Jahrh. 
Abhdlgn. z. bad. Landesk. Heft 1. Karlsruhe 1913, S. 58.
	        
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