Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Die kartographische Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts. 
445 
stein, die Leutnants Müller und Hennert, den chursächsischen Ingenieur Obrist 
Petri und den Major Aster, den hannoverischen Ingenieur Hauptmann Hogreve 
und den Leutnant Lasius, den russischen General Bauer u. a., die durch ihren Unter 
richt und ihr Beispiel viele Offiziere in der Topographie herangebildet haben, aber 
die tonangebenden Kartenwerke und kartographische Neuerungen und Anregungen 
sind in der Hauptsache von privater, von gelehrter Seite ausgegangen. Für alle 
staatlichen Aufnahmen wurde Cassinis Karte von Frankreich maßgebend. 
25(1. Frankreichs Anstoß zur Staatstopographie. Deutsche Privattopographie. 
La carte géométrique de la France in 1:86400, zunächst ein Privatunternehmern 
wurde von César François Cassini begonnen und von seinem Sohne Jaques Domi 
nique vollendet. Mit dem Frieden zu Aachen 1750 begannen die topographischen 
Arbeiten zu der ersten großen französischen Karte, deren Umfang auf 180 Blätter 
festgesetzt wurde. 1760 erschienen die ersten 50 Blätter, zunächst Paris und Um 
gebung und ganz Nordfrankreich. 1798 waren die letzten Blätter der Bretagne unter 
den Händen der Graveure; doch ehe diese vollständig der Öffentlichkeit übergeben 
waren, wie auch die Blätter der Guyenne, kam das Jahr 1815 heran. Es mochte 
dies mit dem Bedaktionswechsel der Karte Zusammenhängen, denn Ende 1798 ging 
das gesamte Kartenwerk infolge eines Antrags von General Calón an das Dépôt 
de la guerre über. 
Mit der Frankreichkarte von Cassini war die erste große moderne topographische 
Karte geschaffen worden, wenn sie auch im Laufe der Jahre mancherlei Umwandlungen 
durchgemacht hatte. Ihre Terraindarstellung ist bereits eingehender gewürdigt 
worden (S. 436). Die mathematische Grundlage war gleichmäßig durchgeführt, ebenso 
die Signaturgebung, zum erstenmal für so ein umfangreiches Werk. So wurde sie als 
ein Monumentalwerk für die gesamte Kartographie epochemachend, und das Karten 
verständnis ist durch sie in höchstem Grade gefördert worden. Sie ist ,,für alle andern 
Länder als ein klassisches Vorbild anregend und maßgebend gewesen“. 1 
Die Karte von Cassini bildete in Frankreich die Grundlage einer großen Anzahl 
von Karten, die sich innerhalb der Maßstäbe von 1 : 86400 und 1 : 864000 bewegten. 
Die bekannteste unter ihnen ist die von Capitaine in 1 : 345 600, also in vierfacher 
Reduktion, während die in zehnfacher nur die einzige ist, die durch den Kriegs 
minister publiziert worden ist. Eng an die Cassinische Karte und in gleichem Maß 
stabe schloß sich unter Ferraris Leitung die Aufnahme der österreichischen Nieder 
lande in den Jahren 1770—1774 an, die 1777 in 25 Blättern veröffentlicht wurde und 
sich im Terrainbild schon vorteilhaft von ihrem Vorbilde unterschied. Unter franzö 
sischem Einfluß steht die ausgezeichnete „Charte von Wirtemberg“ in 1 : 86400 von 
J. G. F. Bohnenberger, die dieser selbst trigonometrisch auf genommen und in 
Schraffen gezeichnet hatte. 1 2 Auch der preußische Generalstab schloß 1816 sein 
Dreiecksnetz an die rheinisch-französische Messung an, und tüchtige Männer, wie 
Müffling, Ötzel, Michaelis, Baeyer, Oesfeld, Gelbke, Berghaus und Aßmann führten 
es rüstig bis in die Mitte Norddeutschlands weiter. 
Als das 18. Jahrhundert zur Neige ging, war die Grundrißzeichnung des 
Terrains für die topographischen Karten der damaligen Kulturländer Regel geworden. 
1 E. v. Sydow: Die Kartographie Europas bis zum Jahre 1857. P. M. 1857, S. 11. 
2 Das erste Blatt des Kartenwerkes erschien 1798. Ein Ausschnitt der Karte ist wiedergegeben 
bei W. Jordan u. K. Steppes: Das deutsche Vermessungswesen. I. Stuttgart 1882, S. 266.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.