Die kartographische Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts.
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stein, die Leutnants Müller und Hennert, den chursächsischen Ingenieur Obrist
Petri und den Major Aster, den hannoverischen Ingenieur Hauptmann Hogreve
und den Leutnant Lasius, den russischen General Bauer u. a., die durch ihren Unter
richt und ihr Beispiel viele Offiziere in der Topographie herangebildet haben, aber
die tonangebenden Kartenwerke und kartographische Neuerungen und Anregungen
sind in der Hauptsache von privater, von gelehrter Seite ausgegangen. Für alle
staatlichen Aufnahmen wurde Cassinis Karte von Frankreich maßgebend.
25(1. Frankreichs Anstoß zur Staatstopographie. Deutsche Privattopographie.
La carte géométrique de la France in 1:86400, zunächst ein Privatunternehmern
wurde von César François Cassini begonnen und von seinem Sohne Jaques Domi
nique vollendet. Mit dem Frieden zu Aachen 1750 begannen die topographischen
Arbeiten zu der ersten großen französischen Karte, deren Umfang auf 180 Blätter
festgesetzt wurde. 1760 erschienen die ersten 50 Blätter, zunächst Paris und Um
gebung und ganz Nordfrankreich. 1798 waren die letzten Blätter der Bretagne unter
den Händen der Graveure; doch ehe diese vollständig der Öffentlichkeit übergeben
waren, wie auch die Blätter der Guyenne, kam das Jahr 1815 heran. Es mochte
dies mit dem Bedaktionswechsel der Karte Zusammenhängen, denn Ende 1798 ging
das gesamte Kartenwerk infolge eines Antrags von General Calón an das Dépôt
de la guerre über.
Mit der Frankreichkarte von Cassini war die erste große moderne topographische
Karte geschaffen worden, wenn sie auch im Laufe der Jahre mancherlei Umwandlungen
durchgemacht hatte. Ihre Terraindarstellung ist bereits eingehender gewürdigt
worden (S. 436). Die mathematische Grundlage war gleichmäßig durchgeführt, ebenso
die Signaturgebung, zum erstenmal für so ein umfangreiches Werk. So wurde sie als
ein Monumentalwerk für die gesamte Kartographie epochemachend, und das Karten
verständnis ist durch sie in höchstem Grade gefördert worden. Sie ist ,,für alle andern
Länder als ein klassisches Vorbild anregend und maßgebend gewesen“. 1
Die Karte von Cassini bildete in Frankreich die Grundlage einer großen Anzahl
von Karten, die sich innerhalb der Maßstäbe von 1 : 86400 und 1 : 864000 bewegten.
Die bekannteste unter ihnen ist die von Capitaine in 1 : 345 600, also in vierfacher
Reduktion, während die in zehnfacher nur die einzige ist, die durch den Kriegs
minister publiziert worden ist. Eng an die Cassinische Karte und in gleichem Maß
stabe schloß sich unter Ferraris Leitung die Aufnahme der österreichischen Nieder
lande in den Jahren 1770—1774 an, die 1777 in 25 Blättern veröffentlicht wurde und
sich im Terrainbild schon vorteilhaft von ihrem Vorbilde unterschied. Unter franzö
sischem Einfluß steht die ausgezeichnete „Charte von Wirtemberg“ in 1 : 86400 von
J. G. F. Bohnenberger, die dieser selbst trigonometrisch auf genommen und in
Schraffen gezeichnet hatte. 1 2 Auch der preußische Generalstab schloß 1816 sein
Dreiecksnetz an die rheinisch-französische Messung an, und tüchtige Männer, wie
Müffling, Ötzel, Michaelis, Baeyer, Oesfeld, Gelbke, Berghaus und Aßmann führten
es rüstig bis in die Mitte Norddeutschlands weiter.
Als das 18. Jahrhundert zur Neige ging, war die Grundrißzeichnung des
Terrains für die topographischen Karten der damaligen Kulturländer Regel geworden.
1 E. v. Sydow: Die Kartographie Europas bis zum Jahre 1857. P. M. 1857, S. 11.
2 Das erste Blatt des Kartenwerkes erschien 1798. Ein Ausschnitt der Karte ist wiedergegeben
bei W. Jordan u. K. Steppes: Das deutsche Vermessungswesen. I. Stuttgart 1882, S. 266.