Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Die Lehrjahre in clen neuen Geländedarstellungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. 459 
2G4. Die Geburt der geographisch und anthropogeographisch bedingten Regional- 
i'arben. Ein möglichst naturwahres Bild der Bo den p last ik darzustellen, warE. v. Sy- 
dows Hauptziel, und der Buntdruck mußte zur Erreichung dieses Zieles helfen. Die 
Flüsse zeichnete Sydow blau, die Gebirge braun und das Tiefland grün. Damit war die 
nachmals so berühmte Regionalfarbe, das Tieflandgrün, in die Karten ein 
geführt. Nach den gleichen Prinzipien gab Sydow 1842 in Gotha die erste aus 11 Karten 
bestehende Abteilung des Methodischen Handatlas für das wissenschaftliche Studium 
der Erdkunde heraus. 1 A. Steinhäuser behauptet 1 2 , daß E. v. Sydow zu der einen 
grün gefärbten Stufe durch die braune Färbung des Hochlandes in dem Schulatlas 
von Th. y. Liechtenstern angeregt worden sei, welcher Atlas allerdings 2 Jahre früher, 
Berlin 1886, als Sydows berühmte Karte Asia erschienen war. Ich vermute, daß 
Sydow eher die Anregung zu seinem Tieflandgrün von dem Tälergrün älterer Militär 
karten, die nur militärischen Kreisen zugänglich waren, empfangen hatte. 
Die Geographen- und Schulwelt nahm mit Begeisterung die Werke E. v. Sydows 
auf. In dem Entstehen und Drängen, Formen und Umformen geographischer Be 
griffe und Methoden in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Sydowschen 
Kartenwerke ein Leitstern. Wir können uns aus voller Überzeugung den Worten 
anschließen, mit denen der Große Generalstab in Berlin seinen Nachruf auf E. v. Sy 
dow beschließt: „Und wer irgendeinem Zweige menschlichen Schaffens so tief das 
eigene Wesen eingeflößt hat, wie Emil von Sydow der deutschen Kartographie, von 
dem darf man wohl sagen, daß sein Geist unter den Menschen für immer lebendig 
bleibt.“ 3 Über die Karte von Asien schrieb C. Ritter am 24. Januar 1839 an den 
jungen Sydow: „Die Karte macht durch die Zweckmäßigkeit ihrer ganzen Anordnung, 
durch die einfache großartigere Haltung ihrer Hauptteile, durch die Befreiung vom 
Ballast der Namengebung und durch die muntere, passende, farbige Darstellung 
gleich beim ersten Anblick einen angenehmen Eindruck, mehr von einem wirklichen 
Naturbilde, als von einer bloßen Papierfläche. . . . Dem erweckten Lehrer wird sie 
ein treffliches Hilfsmittel zur Erweckung der Schüler sein; es sind Hunderte von 
Verhältnissen höherer Art, die durch eine geistigere Interpretation dieser Karte her 
vorgebracht werden können.“ 4 
Ein wohlweiser Schritt Sydows war, daß er zunächst mit einer Regionalfarbe 
anfing; das Publikum mußte sich erst an die bunten Kartenbilder gewöhnen. Das 
Kartenbild mit dem Tieflandgrün und der braunen Gebirgsschraffenzeichnung wirkte 
einfacher und sachlicher als das komplizierte, buntscheckige Farbenkonzert eines 
Papens und anderer Zeitgenossen Sydows. Aber nicht bloß in der Anwendung der 
einen oder einiger wenigen Farben liegt der Grund, weshalb Sydows kartographische 
Erzeugnisse den buntfarbigen anderer Autoren seiner Zeit den Rang abliefen, sondern 
auch in dem wissenschaftlichen Moment, das sich in ihnen sichtlich, handgreiflich 
offenbart, nämlich in dem hypsographischen Abschluß von charakteristischen Massen 
erhebungen, die zugleich für die wirtschaftende Menschheit von größter Bedeutung 
sind. 
Noch einfacher in der Farbengebung ging Sydow in seinem Schulatlas 1847 
1 Die zweite Abteilung zerfiel in zwei Hälften zu je zelin Karten. 1844 lag der Atlas komplett vor. 
2 A. Steinhäuser, a. a. 0., S. 74. 
3 Oberst Emil v. Sydow. Ein Nachruf. Geographisch-statistische Abteilung des Großen General, 
stabes. Berlin 1873, S. 24. 
4 Vgl. Festschrift „Justus Perthes in Gotha 1785—1885“, S. 50.
	        
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