Die Meisterjahre in der Geländedarstellung von der Mitte des 19. Jahrh. bis zur Gegenwart. 467
III. Die Meisterjahre in der Geländedarstellung von der Mitte
des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
269. Neue Einflüsse der Geographie und Topographie auf die Kartographie.
Was in der ersten Hälfte des Jahrhunderts Wurzel geschlagen hatte, sollte in der
zweiten herrliche Blüten treiben und glänzende Früchte bringen; was tastend ge
sucht und empfunden wurde, sollte klar und bewußt werden; was der Kartograph
von guten Kartenbildern ersehnte, das wurde zur Wahrheit und Tatsache. Stellen
sich dann und wann vereinzelte Rückschläge ein 1 , sind sie keine absonderlichen Er
scheinungen im Laufe einer großen Entwicklungsgeschichte.
Das von Jahr zu Jahr innigere Zusammenarbeiten von Geographie und Karto
graphie belebte letztere aufs vorteilhafteste, daß sie von ihrer Seite aus wiederum
von Einfluß auf die Geographie wurde; und ungeahnte Arbeitsmöglichkeiten für
beide eröffneten sich. Geologische, orographische und geomorphologische Studien
weiteten dem Kartographen den Blick und das Verständnis fürs Gelände und be
fähigten ihn schließlich zu einem intuitiven Schaffen, das sich in der Harmonie und
dem gesetzmäßigen, weil natürlichsten Aufbau des Geländebildes äußerte. Von der
,,Fitzlichkeit'‘, wie ich das frühere kleinliche Schaffen nenne (S. 465), schwang er sich zur
großzügigen Auffassung und dieser entsprechenden neuen Geländedarstellung empor.
Die Morphologie gab das Leitmotiv für die Vertonung der natürlichen Verhältnisse
zu einem dreidimensional wirkenden Geländebild auf zweidimensionaler Fläche.
Die Aufnahmemethoden, insonderheit die Hilfsmittel dazu haben sich verbessert
und vermehrt. Schwer zugängliche Gelände werden photogrammetrisch und stereo
photogrammetrisch teils vom Erdboden aus, teils aus der Luft erfaßt. Beide Auf
nahmemethoden beschleunigen zuletzt die Herstellung neuern Kartenmaterials. Noch
sind die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit nicht festgestellt; ungeahnte Perspektiven
der Betätigung haben sie dem Vermessungs- und Kartenwesen eröffnet.
270. Erfindung neuer kartographischer Reproduktionsmethoden. Aber auch der
Griffel war im Laufe der Zeit williger und geschickter geworden. Der Erfolg der besten
Kartenwerke hängt letzten Endes von der Kunst des Stechers und Reproduzenten
ab. 1 2 Dazu gesellen sich die Erfindungen der graphischen Künste, die eine früher
kaum geträumte mannigfaltige, farbenprächtige und schnelle Reproduktion der
Karten gestatten. Den altehrwürdigen Kupferstich oder die Chalkographie löste
1 z. B. die 1864 von der päpstlichen Obersteuerbehörde herausgegebene „Topographische
Karte von Rom ünd der Comarca“ in 1:80000, 9 B. inkl. Titelblatt. — Die feinen, etwas geflammten
Bergschraffen sind hier vielfach falsch gestellt.
2 Es ist ein dankbarer Brauch, daß auf guten Kartenwerken altern wie jüngern Datums der
Stecher mit verzeichnet ist. Auf seine Arbeit kommt gar viel an, er muß durch eignes Studium Ge
staltungskraft besitzen, damit sein Schaffen die erwünschte Wiedergabe des Terrains garantiert. Gute
Kupferstecher und Lithographen für Karten werden heute immer wieder in amtlichen und großen
privaten Karteninstituten gesucht. — Leider verlieren auch viele Originale durch die Reproduktion
an Schönheit und Plastik, wie z. B. die ausgezeichnete Karte von A. Philippson. Wer das Manu
skript gesehen hat, ist erstaunt, wie durch die Schummerung der gedruckten Karten das Gebirge gleich
sam eingesunken erscheint. Die Reproduktionen erreichen selten das Original. Selbst die Heliogravüre
kann das Original nicht ersetzen, wie meine Karrenfeldkarte des Gottesackerplateaus (Wiss. Erg.-Hefte
z. Z. d. D. u. Ö. A.-V. I. 3. Heft Innsbruck 1902) zeigt; die Weichheiten u. Feinheiten meiner Manuskript
karte sind durch die heliographische Reproduktion ganz verloren, desgl. die Niveaukurven.
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