Die Meisterjahre in der Geländedarstellung von der Mitte des 19. Jahrh. bis zur Gegenwart. 477
bei der kartographischen Darstellung eines Karrenfeldes. Ein Karrenfeld kann
ebensowenig wie geneigte Felsplatten 1 durch Schraffen oder Schichtlinien richtig
wiedergegeben werden. Mein Versuch einer Karrenkarte des Gottesackerplateaus
zwischen Hohem Ifen und Obern Gottesackerwänden 1 2 in 1 :7500 ist noch nicht
wiederholt worden. Selbst Karten, die das Eigenartige eines Karrenfeldes bei einem
Maßstabe von 1:25 000 wohl berücksichtigen könnten, wie die Karten des Kaiser
gebirges, der Dachsteingruppe von L. Aegerter, versagen in der Darstellung, und nur
der unruhige Verlauf der Isohypsen zeigt an, daß dort an der Oberfläche etwas nicht
in Ordnung ist. Da hat selbst Blatt 400 (Linthtal) des Siegfriedatlas in 1 : 50000,
das Fr. Becker mit größter Sorgfalt aufgenommen hat, eine bessere Veranschau
lichung des Karrenphänomens gegeben. 3 Für eine das Karrengelände in genügender
Weise charakterisierende Darstellung ist ein Maßstab in 1 : 10000 gerade noch ge
nügend, ein größerer ist stets vorzuziehen. Meine Karte von damals kann nicht
mehr den Ansprüchen genügen, die ich heute an eine derartige Karte stelle. In der
Art und Weise der Zeichnung der Felsen, Platten, Löcher und Bisse dürfte sich wenig
ändern, wohl aber in der Präzision der Aufnahme. Die Instrumente, die mir bei
der Aufnahme zur Verfügung standen, waren für das verwickelte, abwechslungs
reiche Terrain zu primitiv. 4 Wenn schließlich jedes Terrain eine besondere Auf
nahmemethode erscheischt, muß hier die Begel gelten: Je komplizierter die Gelände
form, desto feiner die Aufnahmemethode. Wie schnell würde nach dem heutigen
stereophotogrammetrischen Aufnahmeverfahren das Gottesackerplateau mit Basis-
linien auf dem Hohen Ifen und hart am Südfuß der Gottesackerwände kartographisch
gut festgehalten werden können, dazu noch einige senkrechte Fliegerbildaufnahmen,
und eine Karte müßte entstehen, wie sie genauer, schöner und schneller von keinem
ältern topographischen Aufnahmeverfahren zuwege gebracht worden ist.
Die photogramnietrischen und stereophotogrammetrischen Aufnahmemethoden,
die in der Alpenwelt viele Erfolge errungen haben, sind hauptsächlich von Deutschen,
einschließlich Österreichern, gefördert worden.. Marksteine dieser Aufnahmen sind
die Spezialkarte der Zugspitze in 1 : 10000 des Topographischen Bureaus in München
1892 und die Karte des Vernagtgletschers 1 : 10000 von S. Finsterwalder 1897. 5
Über letztere Karte kann ich heute noch mein Urteil von 1902 6 aufrecht erhalten,
daß sie eine kartographische Arbeit sei, die in bezug auf Peinlichkeit der Ausführung
und auf Genauigkeit der Aufnahmen ihresgleichen in der gesamten alpinen Karten
literatur sucht. 7 Mit ihr rückt die Gletscherdarstellung in eine neue Phase, die kleinsten
Gletscherdetails werden wiedergegeben. Auf ältern Karten erschien der Gletscher
mehr oder minder als etwas Ausgefallenes, er konnte sich nicht recht in das Gelände
1 Vgl. die Plattenszenerie am Passo del Groste auf Aegerters Karte der Brentagruppe i. d. Z. d.
D. u. Ö. A.-V. 1908 u. den dazugehörigen Text S. 82.
2 M. Eckert: Das Gottesackerplateau, ein Karrenfeld im Allgäu. Wiss. Erg.-Hefte zur Z. d.
D. u. Ö. A.-V. I. 3. Heft. Innsbruck 1902. M t Karte.
3 M. Eckert, a. a. O., S. 57, 58.
4 M. Eckert, a. a. O., S. 59.
5 S. Finsterwalder: Der Vernagtferner. Seine Geschichte u. seine Vermessung i. d. «Tn. 1888
u. 1889. Dazu ein Anhang: A. Blümcke u. H. Hess: Die Nachmessungen am Vernagtferner. Wiss.
Erg.-Hefte z. Z. d. D. u. Ö. A.-V. I. 1. Heft. München 1897.
6 M. Eckert, a. a. O., S. 57.
7 Vgl. über Finsterwalder in dem Teile „Kartenaufnahme“, S. 208, Anm. 3, S. 279.