Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Die Meisteijahre in der Geländedarstellung von der Mitte des 19. Jahrh. bis zur Gegenwart. 479 
Alpenkarten von J. Payer, dessen sauber gezeichnete Originale, die bei J. Perthes 
in Gotha auf bewahrt werden, das Herz jedes Kartographen und Kartenkundigen 
erfreuen. J. Payer ist aus der amtlichen österreichischen Schraffenschule hervor 
gegangen; und hier bei dem k. k. Militärgeographischen Institut muß der anklopfen, 
der schöne, ausdrucksvolle und peinlichst ausgeführte Originalschraffenkarten kennen 
und schätzen lernen will. 1 
Deutschland und Österreich haben aus der Lehmannschen Schraffengebung 
herausgeholt, was nur irgendwie möglich war, beide haben den wissenschaftlichen 
Charakter der Tonung, wie ich die Darstellung des Geländes in Böschungsschraffen 
nennen will, gemäß den mechanischen Hilfsmitteln der Darstellung zu bewahren 
und auszubilden versucht. Die Dufourkarte war bei der Hochgebirgsdarstellung 
bewußt vom Lehmannschen System abgewichen und hatte die Schraffe wie auf den 
alten Karten mit Maulwurfshügelmanier oder in Kavalierperspektive lediglich als 
Schattenstrich behandelt. Der gewünschte Effekt bei schräger Beleuchtung 
wurde bei dem Maßstab 1 : 100000 vollkommen erreicht. Eine gleiche Wirkung 
bei größerm Maßstabe, wie in 1 : 25 000, dürfte kaum erreicht werden, es sei denn, 
daß die Karte reines Landschaftsbild wird. Im großen ganzen ist die Schraffen- 
zeichnung bei schräger Beleuchtung für Karten sehr großen Maßstabs, auch für 
Mittelgebirgsformen auf großmaßstabigen Karten, nicht zu empfehlen, hat doch 
Dufour schon auf seiner Karte bei dem Jura die senkrechte Beleuchtung nach Leh 
mann angewandt. Jene eignet sich indessen vorzüglich für Karten kleinern Maß 
stabes, wo es nicht mehr darauf ankommt, Böschungen und absolute Höhenverhältnisse 
zu kennzeichnen, sondern bloß die großen Zusammenhänge der Gebirgsformen und 
deren Verteilung über das Land. Die schräg beleuchtete Schraffe hat sich darum 
mit viel Geschick in das Gebiet der chorographischen Karten, vorzüglich der Hand-, 
Atlas- und Schulkarten, eingeführt. Wie ich schon andeutete, geschah dies nicht 
mit einem Male. Zwei bis drei Generationen haben seit Anfang des Jahrhunderts daran 
gearbeitet, die Schraffe ordentlich und sinngemäß in die Landkarte hineinzusetzen. 
Dieses Kunst- und Meisterstück ist nicht den amtlichen Kartenanstalten gelungen, 
sondern der privaten Kartenindustrie, und hier wiederum fast ausschließlich der 
deutschen. 
Bei der chorographischen Karte, der Landkarte schlechthin, ist das Terrain 
zu generalisieren, also Gattung und Charakter der Gebirge sollen dargestellt werden 1 2 ; 
dies verstand man bei den Landesaufnahmen weder in Berlin und Wien noch in Florenz, 
Paris und London (Southampton) richtig. In Österreich hatte man ja den Versuch 
mit den Kronlandsschulkarten in 1:750000 gemacht, indessen waren es bloße 
Ausschnitte aus der Übersichtskarte von Mitteleuropa. 3 Es fehlt eben das richtige 
Generalisieren für den Zweck der Schulen, und die senkrechte Beleuchtung allein 
ist nicht erfolgreich genug. Ganz anders ist die Terrainbeleuchtung auf den Karten, 
1 Im Sept. 1913 zeigte mir Oberstleutnant Vogel vom k. k. Militärgeographischen Institut 
eine Reihe von Originalaufnahmen, die als Meisterwerke der Terrainkunst anzusprechen sind, sie waren 
von selten schöner Ausführung und Akkuratesse, man bemerkte insonderheit, daß großes Gewicht 
auf die genaue Anordnung der Schraffen gelegt war. Vgl. auch Anm. 1, S. 478. 
2 Vgl. über das Generalisieren der Geländeformen s. oben S. 331, 400. 
3 In 1:750000, hg. v. k. k. Milit.-geogr. Inst. Wien 1882 — 1886. Vgl. auch „Schulhandkarte 
des Erzherzogtums Österreich ob der Enns und des Herzogtums Salzburg“ in 1:750000 von K. Schober. 
Wien 1889. Beil. TX zu den Mitt. d. k. k. Milit.-geogr. Inst. Wien 1889.
	        
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