Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die Landkarte und ihr Gelände. 
Die Modelle, die sich über große Gebiete ausdehnen, sind schwer zu photo 
graphieren; nur partienweise kann der Reproduktionsprozeß vorgenommen werden, 
weil die Lichtquelle zu nahe steht und zu verschiedene Schattenlängen und Inten 
sitäten vermieden werden müssen. Die Karten werden alsdann handschriftlich er 
gänzt 1 , was zuletzt dazu führte, das ganze Modell als gedacht anzusehen. Wir haben 
die Pseudorelief karten, die auf den ersten Anblick Vortäuschen, als seien sie nach 
einem Modell gefertigt, die aber weiter nichts anderes sind als auf grauem Grund 
ä la Hochbild getuschte Kartenbilder, die durch verschiedenartige Methoden ver 
vielfältigt werden können. In unverdienter Weise hat sich das Pseudohochbild der 
Schulkartographie in ausgedehntem Maße bemächtigt. In Sachsen z. B. hatte eine 
Zeitlang die sog. reine Reliefmethode nach M. Kuhnert die Schulkartographie in 
Fesseln geschlagen. Die ersten Karten dieser Art, für die das Gelände in Gips dar 
gestellt und von links oben beleuchtet gedacht wird, waren miserabel 1 2 , und E. v. Sydow 
hätte, wenn er noch gelebt hätte, sie gewiß in Grund und Boden verdammt. Mit der 
Zeit haben sie sich aus dem Unfertigen herausgearbeitet und sind im Unterrichte recht 
brauchbar geworden. 3 Weil das menschliche Auge und Auffassungsvermögen nicht 
imstande sind, die Fülle der Tatsachen, die in ein Kartenbild hineingearbeitet sind, 
mit einem Male zu erfassen, und nur einzelnes zunächst festzuhalten vermögen, bringen 
die Pseudohochbildkarten eben nur Einzelnes und Typisches auffällig zur Darstellung, 
was auf diese Weise leichter im Gedächtnis haften bleibt. Aber von dem Einfachem 
muß zu dem Kompliziertem vorgeschritten werden; und das Auge muß zuletzt an 
bessere und wissenschaftlich gehaltvollere Kartenbilder gewöhnt werden. Das sollte 
nicht übersehen werden. Jeder Schulunterricht, ganz gleich auf welcher Stufe, müßte 
mit einer guten Kenntnis der wichtigsten topographischen Karten abschließen. 
Nach diesem didaktischen Exkurs kehren wir zur Hochbildkarte zurück. Die 
vollkommensten ihrer Art oder die wahren Hochbildkarten sind die, die direkt nach 
dem Hochbildmodell hergestellt sind. Im letzten Kriege wurden solche Hochbild 
karten in großer Anzahl gebraucht. Die Reliefs, die für die einzelnen Armeefronten 
in 1 : 25 000 angefertigt worden waren, wurden abschnittweise etwa in der Größe 
eines Meßtischblattes photographiert und in reduziertem Maßstabe, 1 : 35 000, nach 
dem Lichtbildverfahren reproduziert. Da die obern Kommandostellen im Stellungs 
kriege nicht hinreichend mit Hochbildern versehen werden konnten, waren die Hocli- 
bildkarten ein wertvoller und begehrter Ersatz; sie wurden auch an niedere Kommando 
stellen verteilt. 
1 Dazu gehören viele Karten in Spaniers Handatlas. — Die ersten Anfänge solcher Karten 
reichen in die 70er und 80er Jahre des verg. Jahrh. zurück. Über sie war E. v. Sydow nicht ent 
zückt. 1860 (P. M. S. 477) noch hatte er soviel v. d. Photographie f. d. Kartographie erwartet, und 
1872 (P. M., S. .309) fühlte er sich bitter enttäuscht, daß von der Photographie und ihrem Studium 
kein besonders günstiger Einfluß auf die kartographische Darstellungskunst ausgegangen ist. 
2 Ich denke hierbei an die ersten Heimatkarten dieser Art und die Karte von Sachsen. Die 
erstem erhoben sich kaum über das Aussehen eines mit Beulen beschlagenen Bleches. 
3 So haben also auch die K uh ne rtschen Karten ihr Gutes. Daß ihnen später, um ihnen einen 
gewissen wissenschaftlichen Nimbus zu verleihen, die H. Wiegel sehe Schummerungsskala aufoktroyiert 
wurde, war ebensowenig nötig wie ihre rein äußerliche Verknüpfung mit dem Namen G. Leipoldt. 
Daß die Methode nichts Neues bot, geht aus obigem hervor, nach dem viele als Vorläufer Kuhnerts 
gelten können, auch die Schulkarten von Kühn u. Peip. Es hatte sich seiner Zeit in schulgeographi 
schen Kreisen ein größerer Streit über den Wert und Unwert der Kuhnertschen Karten, die großen 
Absatz ins Ausland haben, erhoben; auf ihn einzugehen, lohnt sich hier nicht. Kuhnerts größter Gegner 
ist H. Harms; vgl. dessen „schulpädagogische Grundsätze“, Braunschweig u. Leipzig 1899, S. 6.
	        
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