Die historische Methode in der Kartographie.
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müller, Hylacomylus oder Ilacomilus), deren eine, die Weltkarte vom Jahre 1507
zum ersten Male den Namen „Amerika“ zeigt und deren zweite die Carta marina navi
gatoria vom Jahre 1516 als Seekarte große Bedeutung hat.
Für die Geschichte der Kartographie sind beide Karten Waldseemüllers von
weitreichender Bedeutung geworden. Einmal, daß die Weltkarte für die Benennung
der Neuen Welt wichtig ist, hat sie sodann eine ganze Reihe Klarstellungen von Karten
veranlaßt, die man bisher als Originalwerke auffaßte. 1 Mit der Weltkarte verglichen,
scheint z. B. die alte berühmte Apianische Weltkarte von 1520 weiter nichts als eine
verschleierte Kopie der Waldseemüllerschen von 1507 zu sein. 1 2 Auf die Apianische
Weltkarte stützte sich ein Teil des Ruhms, der P. Api an zu den bedeutendsten Ver
tretern unter den Kartographen der Renaissance erhob. Die historische Kritik schaltet
hier ein bisher geglaubtes Verdienst A pi a ns aus, ohne jedoch seine Bedeutung für die
Kartographie in Abrede stellen zu wollen. Die Carta marina vom Jahre 1516 ist inso
fern bemerkenswert, als sie die erste gedruckte Seekarte großen Stils ist.
Gerade die Zeit Waldseemüllers und die Folgezeit bieten eine Menge Pro
bleme 3 , deren Lösung nur möglich ist, wenn zugleich der Werde- und Schaffensgang
des in Frage kommenden Kartographen klar gelegt wird. Da zeigen selbst die sorg
fältigsten Arbeiten noch Lücken; z. B. bringt die ausführliche Abhandlung über Mer-
cator und dessen Werke von Averdunk und Müller-Reinhard 4 nichts Sicheres über
die Quellen, die das mathematische Können Mercators speisten, das ihn zur Her
stellung seiner berühnmten Weltkarte vom Jahre 1569 befähigte. Nur wenige Karto
graphen und kartographisch arbeitende Wissenschaftler haben eine so eingehende
Würdigung wie Mercator, Homann oder in neuerer Zeit Aug. Petermann 5 ge
funden, obwohl es viele andere verdienen, gleichfalls genauer bekannt zu werden. Hier
bleibt also noch viel zu tun übrig. Gute Ansätze findet man bereits reichlich und kurze
treffende Charakteristiken über einzelne, aber für das Gesamtverstehen bieten sie noch
zu wenig. Wie man von der Sache zur Person vordringt und in gegenseitigem Vergleich
zu beachtenswerten Ergebnissen kommt, hat Aug. Wolkenhauer an Erhard Etz-
laub und dessen Reisekarten durch Deutschland gezeigt.
Im allgemeinen ist der Weg, die Untersuchung an das einzelne aufgefundene
Kartenbild anzuschließen, am einfachsten und sichersten. Mit glänzendem Scharfsinn
imd anerkennenswerter philologischer und bibliographischer Akribie hat Fr. v. Wies er
die Kommentare zu den oben genannten Waldseemüllerschen und andern Karten
gegeben, die er zugleich in mustergültiger Weise zu publizieren verstand. Ihm reihen
sich unter verschiedenen andern E. L. Stevenson und J. Fischer mit der Welt
karte des J. Hon di us von 1611 an 6 , desgleichen Konrad Miller mit seinen Mappae
1 Vgl. S. 38 und 39 des begleitenden Textes zu beiden Karten (s. Anm. 6, S. 28).
2 Vgl. die weitem Ausführungen von H. Wagner über diese Karte und die Carta Marina in
den Göttingen sehen Gelehrten Anzeigen 1904.
3 Vgl. L. Gallois: Les géographes allemands de la renaissance. Paris 1890.
4 H. Averdunk u. J. Müller-Reinhard: Gerhard Mercator und die Geographen unter
seinen Nachkommen. P. M. Ergh. Nr. 182. Gotha 1914.
5 E. Weller: Aug. Petermann. Ein Beitrag zur Geschichte der geogr. Entdeckgn. u. der
Kartographie im 19. Jahrh. Leipzig 1911.
6 Mit dem Erscheinen dieser Karte (New York 1907) nahm ein groß angelegtes Unternehmen
seinen Anfang, das unter den Auspizien der „American Geographical Society“ und der „Hispanic
Society of America“ unter der Direktion von E. L. Stevenson die Herausgabe einer Reihe von
Karten des 15., 16. und 17. Jahrh. plante. Diese Sammlung soll gewissermaßen eine Ergänzung und