Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung. 
möglich. Ich kann wohl, wie wir später noch sehen werden, nach Peuckers farben 
plastischem System Höhenstufen bis auf 100 m genau festlegen bzw. wieder abmessen, 
indessen eine Kote tatsächlich und ohne weiteres abzumessen oder abzulesen, ist aus 
geschlossen. Man muß sich aber auch hier, wo neue Begriffe und Anschauungswerte 
geschaffen sind, daran gewöhnen, nun nicht mit dem Denkprozeß aufzuhören, sondern 
logisch weiter zu schließen, selbst auf die Gefahr hin, daß man dieses und jenes als 
Baustein zur Theorie verwerfen muß. Es bleibt immerhin noch genug des Neuen und 
Guten in Peuckers Darlegungen. 
Lediglich die nicht überhöhten Reliefs günstiger Darstellungsbereiche (Alpen) 
sind anschaulich wie meßbar, und direkt meßbar nur bei Profilschnitten. Die Karte 
vermag dies nicht, selbst beim besten Willen und trotz aller krampfhaften An 
strengungen, die Höhen ins Auge springen zu lassen. Wollen wir doch dies ohne Um 
schweife restlos anerkennen! Der Wert der Karte wird dadurch keineswegs herab 
gedrückt. Fällt die Höhe nicht mit einer Schichtlinie zusammen oder ist sie nicht 
von Haus aus beziffert, dann ist sie lediglich abschätzbar, im gewissen Sinne im 
farbenplastischen Kartenbilde auch maßanschaulich und berechenbar. Aber es dürfte 
immer ein prekäres Unternehmen bleiben, innerhalb der Farbenschichten, wenn nicht 
Schichtlinien Hilfsdienste leisten, Koten zu berechnen. Dem Abschätzen hingegen 
stehen weniger Hindernisse im Wege, nur darf seine Bedeutung bei den farben 
plastischen Karten nicht überschätzt werden. 
In der Definition der theoretischen Kartographie scheint auf die „naturtreue Dar 
stellung“ ein Hauptgewicht gelegt worden zu sein. Gegen den Ausdruck „naturtreu“ 
habe ich mich bereits an anderer Stelle ausgesprochen (S. 16). Selbst unter der Sonne 
der „Als-ob“-Philosophie kann man der Naturtreue kein gastliches Heim in der Karto 
graphie geben. Der Begriff „treu“ deckt sich mit „gleich“. In der Geographie so 
wohl wie in der Kartographie wird er fälschlich mit dem Begriff „ähnlich“ als gleich 
wertig erachtet. Der Ausdruck „naturtreue Darstellung“ hat Peucker dazu verführt, 
seine adaptiv-perspektive und spektral-adaptive Farbenplastik als „raumtreu“ zu 
bezeichnen. Damit ist die Geographie mit einem Schlagwort bereichert worden, das 
wie so viele andere keine Daseinsberechtigung hat. Durch seine Kürze und gewisse 
Andeutung eines bedeutungsvollen Inhalts hat es sich in die geographische Termi 
nologie eingeschmeichelt, ohne das geographische Gewissen aufgerüttelt zu haben. 
Baumtreu ist unter Umständen nur das Hochbild, wie wir S. 495 nachgewiesen haben. 
Was dieses leistet, kann, wie oben angedeutet wurde, die Karte nimmermehr leisten. 
Wir wollen uns doch darin nichts vormachen. Den heißen Bemühungen K. Peuckers, 
die wissenschaftliche Darstellungslehre des Geländes von der „Kesignation auf die 
reine Geometrie“ zu befreien, die vollste Anerkennung, aber was de facto ins Karten 
bild nicht hineingetragen werden kann, ist auch nicht herauszuholen; und so bleibt 
m. M. nach die Aufforderung, daß die exakte Wissenschaft zur „raumtreuen“ Dar 
stellung fortschreiten muß, illusorisch. Durch das Peuckersche System wird die dritte 
Dimension optisch angedeutet, im gewissen Sinne ist sie da optisch bestimmbar, 
nicht aber — was die Hauptsache wäre — geodätisch (geometrisch) abmeßbar, wie 
wir oben bereits durchblicken ließen. Um es nochmals zusammenzufassen: Peuckers 
farbenplastische Karten sind nicht „raumtreu“, wohl aber „raumabschätzbar“ oder 
kurz „raumschätzbar“ und ferner „raumveranschaulichend“ oder kurz „raum 
anschaulich“. Schließlich sei noch bemerkt, daß die Naturtreue und desgleichen die 
Raumtreue auf Karten auch deshalb nie erreicht werden kann, weil in den Karten
	        
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