Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung. 
Erosionszyklus und verwandten Betrachtungsweisen von W. M. Davis ist nichts 
anzufangen. Durch die übertriebene Betonung des quantitativen Faktors der Zeit 
gegenüber der qualitativen Verschiedenheit der Oberflächenerscheinungen erhält die 
ganze Auffassung von Davis und seinen Anhängern, wie A. Hettner sagt, „etwas 
Leeres und Schematisches; die Fülle der Erscheinungen im Landschaftsbild geht 
verloren.“ 1 Für die amerikanischen Darbietungen bilden einen reichen Ersatz die 
deutschen Forschungen und Arbeiten, wie sie mit Peschei, Bütimeyer, Bichthofen 
einsetzten und durch Philippson, Passarge, Hettner, Supan, Sapper, Joh. Walther u. a. 
gefördert worden sind. Nur der bessern Anwendung oder umfangreichem Verwertung 
morphologischer Begriffe in der Kartographie bedarf es noch, obwohl auch da bereits 
gute Ansätze nicht zu verkennen sind. Daß hinwiederum gewisse Bückwirkungen 
auf die Morphologie stattfinden werden, erscheint mir nicht ausgeschlossen; denn 
hei dieser kommt beispielsweise, soweit ich in der betreffenden Literatur Umschau 
halte, nirgends zum Ausdruck, wieweit die begrenzenden Talwände Verschneidungen 
bilden, wie es mit dem Vorkommen konkaver und konvexer Talsohlen und deren 
Ursachen steht u. a. m. Mehr noch als die Morphologie oder die Lehre von der Ober 
flächengestaltung der Erde Gewinn von der Topographie und Kartographie hat, 
werden umgekehrt diese von jener haben, insonderheit dort die Formen schon viel 
systematischer und eingehender nach den verschiedensten Gesichtspunkten behandelt 
worden sind, am ausführlichsten bis jetzt in dem System der Oberflächenformen, den 
Formenkreisen und Sammelformen von S. Passarge. 1 2 
294. Die Geripplinien. An die Kenntnis der Einzelformen reiht sich das Studium 
der Geripplinien. Dem gewandten Topographen sind sie in Fleisch und Blut über 
gegangen, nicht jedoch dem Geographen, dem sie noch fernliegen, obwohl auf ihre 
Berücksichtigung — allerdings sporadisch — schon hingewiesen wurde. 3 Die Geripp 
linien umfassen drei Linienarten: Höhenlinien, Tallinien und Fallinien. Die Höhen 
linien oder Wasserscheider, von mir auch Gipfel- oder Höhenripplinien ge 
nannt, verbinden die höchsten Punkte der aneinander gereihten Höhen, die ja meistens 
vergesellschaftet Vorkommen. Sie ergeben in der Horizontalprojektion, also im 
Grundriß, die genaue Lage der Höhen auf der Karte, in der Vertikalprojektion, also 
im Profil, den welligen Verlauf der Höhenlinie (die Silhouette des Gebirges). Die 
Kamm- und die Bückenlinien sind ganz dasselbe wie die Höhenlinien. Von ihnen 
aus fließt das Wasser ab, darum die Bezeichnung „Wasserscheider“. Das von dem 
Wasserscheider nach beiden Seiten (links und rechts zur Linienrichtung) abrinnende 
Wasser fließt in den Tallinien zusammen, wo es gleichsam gesammelt wird. Deshalb 
wird die Bezeichnung Wassersammler erklärlich; ich selbst habe sie im Geographi 
schen Praktikum Talripplinien genannt. Bei ihnen wird man je nach der Weitung 
der Talsohle von Binnen-, Mulden- und Tallinien sprechen. Von der richtigen Lage 
der Gipfel- und Talripplinien hängt der gesamte Aufbau des Geländebildes ab. Wasser 
scheider und Wassersammler werden durch die fallinien verbunden, die durch das 
Wasser bezeichnet und gezeichnet werden, das dem Gesetz der Schwere folgend vom 
Wasserscheider zum Wassersammler fließt. Charakteristisch für sie ist, daß sie sich 
1 A. Hettner: Die Davissche Lehre in der Morphologie des Festlandes. G. A. 1921, S. 6. 
2 S. Passarge: Die Grundlagen der Landschaftskunde. III. Die Oberflächengestaltung der 
Erde. Hamburg 1920, S. 468 ff. 
3 O. Krümmel u. M. Eckert: Geographisches Praktikum. Leipzig 1908, S. 25.
	        
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