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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
Hogreve, L. Müller, die Franzosen Martinel und Graf d’Hérouville 1 sind an dem Ausbau
des Schraffensystems tätig; bald waren es nur die höchsten Erhebungen, bald nur
die Böschungen und ihre Gangbarkeit, die der Gegenstand kartographischer Unter
suchungen und Darstellungen wurden.
Ob man Kreuzschraffen oder stärkere oder langgezogene Schraffen für die höchsten
Erhebungen, bzw. für große Böschungen verwandte, alle littenjde daran, daß sie die
■ Unterschiede der Höhen nicht klar bezeichneten. Hayne sagte 1782: 7>^ m © wette
■ Verlängerung der Striche zeigt an, daß die Höhe hoch sei ... . Ob sie höher als eine
nebenliegende steile Höhe sei, ist in der Zeichnung sehr schwer zu beurteilen, weil man
das Sanftansteigende oder die Steile sehen, aber nicht den Unterschied ihrer Höhe
| wahrnehmen kann.“ 1 2 Der Ausspruch ist insofern wichtig, als er deutlich sagt, daß
durch die Schraffur die Böschungsverhältnisse, wenngleich ganz allgemein, zum
Ausdruck gebracht wurden, und daß man den Eindruck gewisser Gradation auch
empfand. Wiebeking, der kurpfälzische Wasserbaumeister, hat dies an einer Kuppe
, erläutert, die erst allmählich, dann stärker abfällt und zuletzt sanft ausläuft; die
Striche müßten dementsprechend am Anfang fein, dann stärker und endlich schwach
gezeichnet werden. 3 Er hatte außerdem noch ganz vernünftigen Ansichten Aus
druck verliehen ; wenn er aber ausführte, daß, um die Berge zu zeichnen, Urteils
kraft, Augenmaß, Haltung, Harmonie, Gefühl zur Wahrheit und Kunstgefühl Zu
sammenwirken müssen, war die Bergzeichnung doch mehr auf eine Gefühlsbasis
gestellt, und die praktische Verwertung ging leer aus. Mit solchen zu allgemeinen
Anweisungen konnten sich militärische und andere Aufnehmer nicht genügen lassen.
Î Die Entwicklung der Kartographie und des Kriegswesens drängte von sich aus gegen
Ende des 18. Jahrhunderts dahin, durch genauere Karten den kriegerischen Opera
tionen mehr als bisher zu helfen und Methoden und Mittel zu ersinnen, damit die
Bewegungen der einzelnen Truppengattungen erleichtert würden; denn der Krieg
nahm bereits größere und verwickeltere Formen an. Es erschien eine Anzahl neuer
Methoden der Geländeaufnahmen, verbunden mit Vorschlägen zu neuen und wissen
schaftlichen Geländedarstellungen auf topographischen Karten. Von militärischer
Seite aus wurde 1783 in Göttingen eine-„Anleitung zur Aufnahme von einem Offizier“
veröffentlicht, ein Werk, das wohl ein Jahr später wie das gleich noch zu nennende
von L. Müller erschien, indessen diesem sachlich voranzustellen ist. In ihm wird vor-
geschlagen, die Unebenheiten durch Licht und Schatten in parallel gelegten Strichen,
die Höhe durch deren Länge und die Neigung durch deren Stärke“zum Ausdruck zu
bringen. Absätze sollen durch kleine Berge markiert und die Böschungsgrade auf
dem Kamme der Berge angesetzt werden. Die Bewegungsmöglichkeit der Infanterie,
Kavallerie, der leichten und schweren Geschütze ist in vier Gradationen zu geben.
Ein klares zeichnerisches Prinzip, das sich überall gleich gut und mit gleichem Erfolg
anwenden läßt, ist durch die Göttingensche Anleitung nicht gegeben. \ Da war es der
in Friedrich des Großen Diensten stehende Ingenienrmaior Ln d wi g Müller, der
durch verschiedene, zeitlich getrennte Vorschläge versuchte, die Sache zu meistern.
Die Bemerkung des großen Königs, die Stellen im Gelände, die für Kriegsoperationen
1 Berthaut: Les ingénieurs géographes militaires. 1826 — 1831. Paris 1902. I. S. 47; über
Martinel S. 414, 425.
2 Hayne: Deutliche und ausführliche Anweisung, wie man das militärische Aufnehmen nach
dem Augenmaß ohne Lehrmeister erlernen könne. Berlin 1782. § 366.
3 C. F. Wiebeking: Über topograph. Karten. Mülheim a. Rh. 1792, S. 5.