Die historische Methode in der Kartographie.
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viele derartige Beiträge, wie über die Entwicklung der Kartenschrift, einzelner Signa
turen und Symbole, wie die der Gletscher-, der Binnenseen-, der Fluß-, der Wälder
darstellung usw. Weiterhin fehlt uns eine Erörterung und Zusammenstellung von
besonders eigentümlichen Karten, hauptsächlich von solchen, die irgendeine nicht
übliche Kombination verschiedener Kartenelemente bringen, die mehr oder minder
als nachahmenswert empfohlen werden können, wie z. B. die Verbindung von Kultur
zonen mit Terrainkarte. 1
Den Gang der Untersuchung an ein engbegrenztes geographisches Objekt an
zuschließen, ist eine beliebte Art. So hatte z. B. die Entwicklung der richtigen Auf
fassung von der Ausdehnung des Mittelmeers seither die Forschung gereizt. Durch
Ptolomäus war bekanntlich dem Mittelmeer eine zu große westöstliche Ausdehnung
gegeben, die sich auf den Karten bis ins 17. Jahrhundert erhalten hatte, da man an
der Auffassung des Ptolomäus bei dessen Autorität zu rütteln sich scheute, wie
Lelewel sagt: ,,Le maître l’avait dit, il fallait le croire“. 1 2 Wrights Weltkarte in
Mercatorprojektion vom Jahre 1599 steuerte auf eine richtige Auffassung hin, der aber
erst durch die* Keppler-Eckebrecht sehe Weltkarte vom Jahre 1630 — nach
dir. Sandler der erste kritische Versuch zu einer fundamentalen Verbesserung des
ganzen Weltbildes — und vor allem durch die Planiglobenkarte des G. Delisle end
gültig zum Siege verholten ward.
Ein ebenso interessantes Problem wie das vorhergehende ist das der Auffassung
und Entwicklung der terra incognita der Südhemisphäre. Viele Sonderkarten (in
polständiger Projektion) bringen das unbekannte Südland mehr oder weniger aus
gedehnt, andere hinwiederum gar nicht, gemäß einem alten von der Kritik diktierten
Arbeitsspruch der Kartographie: Was man nicht genau weiß, gehört nicht ins
Kartenbild. Eine Zusammenstellung der wichtigsten dieser Karten ist in der Tat
eine lohnende Aufgabe, wie auch die von Karten, die uns die Land- und Wasserhalb
kugelbilder zeigen. Es bereitet einem einen ganz besondern Genuß, an der Hand dieser
Karten, die bis gegen 1600 zurückreichen, zu verfolgen, wie die Idee einer besondern
Wasser- und einer besondern Landhalbkugel entstand und sich aus den Darstellungen
verschiedenster Erdansichten losschälte. Die Verteilung von Wasser und Land hat
immer, seitdem es eine wissenschaftlich denkende Menschheit gibt, die Gemüter be
schäftigt; es ist ein Problem, das immer jung bleibt, das immer wieder neue Seiten
der Erörterung darbietet, wie dies neuerdings die Theorie der großen tangentialen
Kontinentalverschiebungen von A. Wegener wieder eindringlich lehrt. Lassen wir
1 Es melden sich hier C. Koristka: Terrain- und Höhenkarte der Hohen Tatra in den Central-
Karpaten. 1: 160000. P. M. Eh. 12, 1863; oder L. Brackebusch: Physiographische Karte des
nordwestl. Teils d. Arg. R, 1:3000000. P. M. 1893, T. 11.
2 J. Lelewell: Géographie du moyen âge. Bruxelles 1857. I. S. LXXXVII. — Ganz kritik
los wurde übrigens das Ptolomäische Kartenmaterial nicht übernommen. Waldseemüller
scheute sich nicht, daran zu bessern. In der von Jacobus Pentius de Leuce besorgten Ptolomäus-
ausgabe, Venedig 1511, wagt, wie auch E. v. Nordenskiöld und W. Wolkenhauer sagen, Bern-
hardus Sylvanus Ebolensis als ein Erster einzelne Ptolomäuskarten nach neuen Forschungen zu
verbessern. Lange Zeit galten die französischen Gelehrten Peiresc und Gassendi als die ersten,
die auf den Fehler der Überdehnung des Mittelmeeres hinwiesen. Die Priorität dieser Idee weist
Chr. Sandler in seiner „Reformation der Kartographie um 1700“, München und Berlin 1905, S 2,
dem niederländischen Kartographen Willem Jansz. Blaeu zu, der in einem Brief 1634 an den
Professor der Astronomie an der Tübinger Universität W. Schickhart zum Ausdruck brachte, daß
die Entfernung zwischen Alexandria und Rom und in weiterer Folge davon ganz Europa viel zu
lang (d. h. zu breit) dargestellt sei.